Archiv der Kategorie: England 2020->2022

Das andere Ende der Mauer

Bevor wir Carlisle verlassen, begeben wir uns in die Innenstadt, um einige Besorgungen zu machen. Carlisle ist die Hauptstadt und einzige Stadt von Cumbria und sehr gut mit Geschäften und Banken ausgestattet. Wir haben noch alte Geldscheine, die man nur in einer Bank umtauschen kann und Klaus braucht dringend einen Pullover, da er die Temperaturen in England falsch  eingeschätzt hat.

Wie auch alle anderen Kirchen, die wir bislang in Carlisle gesehen haben, ist auch die Kathedrale gedrungen und niedrig. Auch der rote Stein ist sehr typisch für die Stadt
Wie auch alle anderen Kirchen, die wir bislang in Carlisle gesehen haben, ist auch die Kathedrale gedrungen und niedrig. Auch der rote Stein ist sehr typisch für die Stadt

Nachdem dies erledigt ist, besuchen wir die alte Kathedrale von Carlisle. Auch hier wieder das altbekannte Muster: erst hatten die Ureinwohner hier einen besonderen Ort, dann haben die Römer diesen Ort mit irgendwelchen Bauten übernommen und dann kam die Kirche mit einem ersten Bau und einem Kloster, das dann ständig erweitert wurde.

Über die Jahrhunderte hat Carlisle sowohl unter der Grenzlage zu Schottland durch regelmäßige Kriege gelitten, aber auch stark davon profitiert. Dieser Ort lag einfach strategisch optimal an der Eden, die in den Solway Firth mündet. Auch der Hadrians Wall verlief durch das heutige Stadtgebiet von Carlisle. Entsprechend hat sich über die Jahrhunderte so einiges in der Schatzkammer der Kathedrale angesammelt und das Innere der Kirche ist reich verziert.

Eine Ausstellung im Tullie Haus beschäftigt sich mit stark befestigten Grenzen im Allgemeinen. Das passt für mich gut zum Ende unseres Besuchs am Hadrians Wall und den Vergleichen, die auch wir schon angestellt hatten. Dieses Motto nehme ich deshalb gerne mit.
Eine Ausstellung im Tullie Haus beschäftigt sich mit stark befestigten Grenzen im Allgemeinen. Das passt für mich gut zum Ende unseres Besuchs am Hadrians Wall und den Vergleichen, die auch wir schon angestellt hatten. Dieses Motto nehme ich deshalb gerne mit.

Zu guter Letzt besuchen wir noch das Tullie House, Museum and Art Gallery, eine Art Landesmuseum für Cumbria. Dort befindet sich eine bunte Mischung aus verschiedenen Ausstellungsinhalten: Römer, Eisenbahnen, ein angeschwemmter toter Finnwal, Ausgrabungen von skandinavischen Gräbern, heimische Tier- und Pflanzenarten, viktorianische Gewänder, Kunst usw.

Im Museumsrestaurant gibt es ein gutes Lunch. Trotzdem merken wir, dass wir bezüglich Museen langsam abgefüttert sind und machen uns auf den Weg zum anderen Ende des Hadrians Walls. Dazu fahren wir über eine Straße am Solway entlang, die bei Springhochwasser unter Wasser stehen soll. Die Straße geht direkt durch das Marschland vor dem  letzten Stück des Hadrians Walls. Der Wall hat hier eher die Form eines kleinen Deiches.

Heute mal kein Schaf, sondern ein Rind: "Mir ist es etwas peinlich, habe das Waschmittel genommen und nun sind meine schönen schwazen Flecken völlig ausgewaschen!"
Heute mal kein Schaf, sondern ein Rind: „Mir ist es etwas peinlich, habe das Waschmittel genommen und nun sind meine schönen schwazen Flecken völlig ausgewaschen!“

Wir haben halbe Tide und lassen das Auto auf einem Haltestreifen zurück, um das Marschland zu erkunden. Auf dem Marschland und auf dem Wall können sich Rinder frei bewegen und so stehen sie dann auch schon einmal auf der Straße und blockieren den Verkehr. Bei Bowness on Solway ist dann das andere offizielle Ende des Hadrians Walls erreicht.

Auch hier gab es ein Fort, vermutlich auch mit Anlegestellen für die Versorgung der Truppen. Davon und von dem Fort ist aber nichts mehr zu sehen, da die Ortschaft direkt auf dem Gelände des Forts steht, also höchstwahrscheinlich vom Fort direkt in eine Ortschaft übergegangen ist und die für andere Bauten wie z.B. die alte Kirche wiederverwendet wurden.

Offizielles Ende des Wanderwegs am Hadrians Wall, aber die Mauer ging vom Fort aus vermutlich noch bis an das Ufer und vermutlich auch darüber hinaus noch ein Stück in den Solway Firth hinein.
Offizielles Ende des Wanderwegs am Hadrians Wall, aber die Mauer ging vom Fort aus vermutlich noch bis an das Ufer und vermutlich auch darüber hinaus noch ein Stück in den Solway Firth hinein.

Unsere heutige Unterkunft liegt wieder in einem Inn mit Pub, Restaurant, einigen Gästezimmern und einem Stellplatz für Camper etwas landeinwärts bei Kirkbride.

Höhepunkt der Mauer überschritten

Nach dem Frühstück verabschieden wir uns ganz herzlich von unseren Gastgebern. Es war einfach schön und sehr freundschaftlich bei ihnen.

Im Roman Army Museum bekommen wir von einem etwas herablassenden virtuellen römischen Lehrer aus Neapel unter anderem die lateinische Schreibschrift näher gebracht
Im Roman Army Museum bekommen wir von einem etwas herablassenden virtuellen römischen Lehrer aus Neapel unter anderem die lateinische Schreibschrift näher gebracht

Wir fahren zurück auf die Straße an der Mauer und wollen dem „Roman Army Museum“, dem 2. Ausstellungshaus des Vindolanda Cheritable Trusts, einen Besuch abstatten. Hier hat man versucht, den Alltag der römischen Soldaten darzustellen. Wir sind von dieser Ausstellung nicht so begeistert. Das Soldatenleben wird zu heroisch dargestellt und eigentlich kommt nichts Neues mehr hinzu.

 als

Wir wollen bei dem heutigen guten Wetter lieber auf die Mauer und machen eine kleine Wanderung Richtung Westen. Nicht allzu weit entfernt gibt es an der Mauer eine Burgruine, das Thirlwall Castle. Das Castle liegt  an einem kleinen Fluss in Greenhead. Auf dem Weg zurück lassen wir noch einmal unsere Drohne über der Mauer fliegen. Die Mauer ist hier nur als langer Wall zu erkennen, der sich gerade durch die Landschaft zieht. Die Schafe und Rinder, die auf dem Wall weiden, lassen sich durch die Drohne nicht beeindrucken.

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Die Mauer ist hier nur noch an einem gerade durch die Landschaft führenden Graben zu erkennen, einem Teil der Verteidigungsanlagen
Die Mauer ist hier nur noch an einem gerade durch die Landschaft führenden Graben zu erkennen, einem Teil der Verteidigungsanlagen

Hinter Greenhead scheint die Mauer die Wasserscheide zu überschreiten. Die Bäche und Flüsse fließen nicht mehr nach Osten in die Tyne, sondern nach Westen in die Eden, die in den Solway Firth mündet.

 

So sieht ein Fort aus, wenn es noch nicht ausgegraben wurde. Was dort wohl noch zu finden sein wird? Aus geophysikalischen Untersuchungen weiß man, dass es auch hier ein angrenzendes Dorf gab. Darauf konzentrieren sich derzeit, die nicht sehr umfangreichen Ausgrabungen
So sieht ein Fort aus, wenn es noch nicht ausgegraben wurde. Was dort wohl noch zu finden sein wird? Aus geophysikalischen Untersuchungen weiß man, dass es auch hier ein angrenzendes Dorf gab. Darauf konzentrieren sich derzeit, die nicht sehr umfangreichen Ausgrabungen

Nächste Station ist das Fort in Birdoswald. Es liegt auf dem hohen Ufer am Fluss Irthing, der durch eine tiefe Schlucht mäandert. Von dem Fort ist nur sehr wenig ausgegraben. Nur der Bereich um das Herrenhaus des Gutes, das auf der Fläche des Forts steht, ist freigelegt. Die Ausgrabungen zeigen, dass der Ort nach den Römern weiter durch die lokale Bevölkerung als Schutz gegen Angriffe aus Norden, also Schottland, genutzt wurde.

 

Blick vom Fort Birdoswald auf die Irthing
Blick vom Fort Birdoswald auf die Irthing

Etwas weiter östlich setzte die Mauer über die Irthing. Da der Fluss sehr wechselnde Wasserstände hat und bei Hochwasser gern seine Lage in Richtung Osten verlagert, musste die Brücke dreimal neu errichtet werden. Heute steht der östliche Brückenkopf hoch und trocken und vom westlichen fehlt jede Spur. Hier haben die römischen Ingenieure ihren Meister gefunden. Selbst die heutige Fußgängerbrücke hat mit dem Fluss zu kämpfen und musste mehrmals aufwendig erneuert werden, wie ein Schild verrät.

Von Birdoswald fahren wir über kleine Straßen nach Carlisle.

 

Vom Fort Birdoswald führt die Mauer deutlich sichtbar zum Fluss Irthing
Vom Fort Birdoswald führt die Mauer deutlich sichtbar zum Fluss Irthing

Als wir uns Carlisle nähern, merken wir, dass wir wieder in eine größere Stadt kommen. Der Verkehr wird merklich dichter und der Baustil der Häuser wird urbaner. Unsere Unterkunft liegt an einer stark befahrenen Straßenkreuzung kurz vor den Stadtzentrum. Offene Fenster werden mit entsprechendem Lärmpegel bestraft. Die Luft ist von leichtem Duft nach Kohlenbrand geschwängert.

 

Auf der anderen Seite der Irthing liegt der Brückenkopf noch deutlich sichtbar hoch und trocken auf einer Schafweide
Auf der anderen Seite der Irthing liegt der Brückenkopf noch deutlich sichtbar hoch und trocken auf einer Schafweide

Zum Abendessen gehen wir in ein nahe gelegenes griechisches Restaurant. Da es drinnen schon sehr voll ist setzen wir uns zunächst nach draußen, aber der Lärm der Straße treibt uns bald hinein. Auch dort ist der Lärmpegel nicht viel niedriger.

Schöner Oldtimer in Carlisle
Schöner Oldtimer in Carlisle

Nach dem Essen kommen wir mit der jungen Bedienung ins Gespräch, die hier als Ferienaushilfe arbeitet und in der Schule seit drei Jahren Deutsch lernt. Sie traut sich aber noch nicht, mit uns Deutsch zu reden. Sie erzählt uns, dass sie bereits bei einem Schüleraustausch in Bayern war. Wir erklären ihr, das Bayern zum Deutsch lernen nicht die beste Gegend ist und geben ihr den Tip das nächste Mal Städte wie Hannover, Hamburg oder Bremen zu wählen.

Daily life in Vindolanda

Ziel ist heute die Ausgrabungsstätte in Vindolanda. Leider spielt das Wetter nicht so mit, wie wir es uns wünschen. Es nieselt einmal wieder und so fahren wir mit unserer Knutschkugel dorthin, anstatt mit dem Bus dorthin zu fahren und anschließend eine Wanderung zurück zu machen.

Vindolanda ist ein römisches Fort, das bereits vor dem Mauerbau bestand. Da es zunächst von der Armee aus Holz gebaut wurde und nicht besonders langlebig war,  wurde es von den Römern selbst immer wieder platt gemacht und neu aufgebaut. Dazu wurden die Holzpfähle entweder abgesägt oder abgebrannt und das ganze dann mit einer neuen Lehmschicht überzogen Diese Lehmschicht wirkt für organische Substanzen konservierend, wodurch die unteren Strukturen erhalten blieben und heute genau datiert und rekonstruiert werden können. Zusätzlich haben sich unter dem Lehm auch andere organische Substanzen wie z.B. Leder von Schuhen – mittlerweile wurden Hunderte gefunden – Riemen, Stoffe und andere Holzgegenstände erhalten.

Auch ein schön dekorierter Kamm aus Buchsbaumholz hat sich erhalten
Auch ein schön dekorierter Kamm aus Buchsbaumholz hat sich erhalten

Zu Zeiten von Hadrian hat man das Fort dann in Stein errichtet. Später wurde es massiv in ein Kavalerie-Fort umgebaut und dann deutlich verkleinert. Nachdem die Römer ihre Herrschaft in England beendeten, wurde das Fort weiter von Zivilisten bewohnt. Es gibt auch Hinweise auf eine Christianisierung.

Auch viele Tierskelette haben sich erhalten, darunter sehr viele unterschiedliche Hunderassen
Auch viele Tierskelette haben sich erhalten, darunter sehr viele unterschiedliche Hunderassen

Das Besondere an diesen Ausgrabungen ist die Erweiterung des Verständnisses für das tägliche Leben der Soldaten und Zivilisten. Geholfen hat dabei der Fund von Schreibtafeln, die durch den Lehm bestens konserviert wurden. Da gab es zum einen buchhalterische Aufstellungen über den Zustand der Soldaten und die Anforderungslisten für die Versorgung, aber auch private und geschäftliche Briefe bzw. Nachrichten, eine offizielle Einladung zu einer Geburtsfeier, versehen mit einer ganz persönlichen Widmung der Einladenden, der Hilferuf endlich Bier zu senden, da man nichts ordentliches mehr zum Trinken hat und den schlichten Vorwurf endlich einmal auf die gesendeten Briefe zu antworten oder das erwartete Geld zu schicken.

Der älteste erhaltene Toilettensitz, etwas geschrumpft durch die Konservierung
Der älteste erhaltene Toilettensitz, etwas geschrumpft durch die Konservierung

Durch den Lehm wurden auch hölzerne Wasserrohre und die einzige hölzerne Toilettenabdeckung im römischen Reich erhalten, deren Konservierung der heutige britische Hersteller von hölzernen Toilettensitzen übernommen hat. Das ist britischer Humor, wie man ihn liebt. Die Ausstellung in Vindolanda ist auf jeden Fall ein Highlight und gehört zu den „Must See“ im Zusammenhang mit dem Hadrians Wall.

Auf dem Ausgrabungsgelände haben wir noch die Gelegenheit, mit freiwilligen Ausgrabungshelfern und einer Archäologin zu sprechen. Die Freiwilligen können sich Anfang November für das kommende Jahr für jeweils zwei Wochen bewerben. Die Nachfrage ist so groß, dass nach wenigen Minuten alle Slots vergeben sind. Der Traum dieser Leute ist natürlich einmal ein wichtiges Stück zu finden und in Händen zu halten.

Von Vindolanda aus fahren wir zur Mauer zurück, die an dieser Stelle oben an einem Steilhang entlang führt. Der Wind ist mittlerweile abgeflaut und es hat aufgehört, zu regnen. Wir trauen uns, oben am Steilhang die Drohne zu starten. Aus der Drohnen Sicht ergibt sich nochmals ein viel atemberaubenderes Bild auf dieses Bauwerk und die umgebende Landschaft.

Blick vom Sycamore Gap nach Norden, in das Land vor dem sich die Römer schützen wollten
Blick vom Sycamore Gap nach Norden, in das Land vor dem sich die Römer schützen wollten

Abends schauen wir uns die Aufnahmen mit Rachel und Felix, unseren Gastgebern, zusammen an. Auch sie sind davon begeistert und für ihre nächsten Erkundungen der Umgebung von Haltwhistle inspiriert.

Ein Milecastle aus der Drohnenperspektive. Die Dinger heißen so, weil sie im Abstand von einer römischen Meile an der Mauer standen und jeweils ca. 10-30 Soldaten Unterkunft geboten haben, während sich der Rest der Truppe im Fort amüsiert hat.
Ein Milecastle aus der Drohnenperspektive. Die Dinger heißen so, weil sie im Abstand von einer römischen Meile an der Mauer standen und jeweils ca. 10-30 Soldaten Unterkunft geboten haben, während sich der Rest der Truppe im Fort amüsiert hat.

His Masters Voice

Unsere Unterkunft in Humshaugh
Unsere Unterkunft in Humshaugh

Das Frühstück genießen wir mit einem wundervollen Blick über den gepflegten Garten und das Tal der North-Tyne. Dabei kommen wir auch mit unserer Gastgeberin ins Gespräch. Das Haus in dem wir heute Nacht geschlafen haben, ist aus dem 18. Jahrhundert und wurde von der Frau eines Vikars erbaut. Sie hat es dabei aber nicht bewenden lassen, sondern gleich mehrere Häuser gebaut. Diese gehören heute allesamt einer Stiftung und stehen unter Denkmalschutz. Sie und ihr Mann haben das Haus gemietet. Durch den Denkmalschutz ist es schwierig, die Wärmedämmung zu verbessern. Sie dürfen noch nicht einmal, die einfach verglasten Fenster durch doppelte Verglasung ersetzen. Im Winter kann es hier schon sehr kalt werden, aber selbst jetzt im August waren wir dankbar, dass sie für uns gestern Abend die Heizung angemacht hatte.

Die Sammlung von John Clayton wirkt recht altmodisch
Die Sammlung von John Clayton wirkt recht altmodisch

Anschließend besuchen wir die Ausstellung im Chester Fort, bei der wir gestern zu spät waren. Hier ist John  Clayton verewigt, der einen Teil seines Vermögens in den Kauf von Ländereien investiert hat, auf denen der Hadrians Wall steht. Dort hat er dann Ausgrabungen durchführen lassen. Leider war die Dokumentation der Ergebnisse im 18. Jahrhundert nicht so systematisch und Stücke, die man für nicht so wichtig hielt, hat man in den Fluss geschüttet oder irgendwo wieder vergraben. Auf jeden Fall war die Oberschicht in der viktorianischen Zeit von der Römerzeit sehr angetan. Sie erhofften sich vom Studium dieser Zeit Erkenntnisse für die eigene Führung des immer größer gewordenen britischen Kononialreiches.  Die Ausstellung im Museum ist dann auch eher ein Sammelsurium an Grabungsfunden.

Kostümierte Darsteller demonstrieren die Fähigkeiten römischer Soldaten. Wir warten die ganze Zeit auf Asterix und Obelix...
Kostümierte Darsteller demonstrieren die Fähigkeiten römischer Soldaten. Wir warten die ganze Zeit auf Asterix und Obelix…

An diesem Wochenende findet auf dem Gelände die Show „The Clash of the Romans“ des English Heritage statt. Legionäre in Kostümen zeigen, wie es wohl zu Hadrians Zeiten ausgesehen hat und welche Fähigkeiten die römische Armee hatte. Dies ist natürlich ein großes Ereignis für die kleinen und großen Kinder, die hier in den Ferien angereist sind. Höchstwahrscheinlich waren wegen der Darsteller und Besucher alle Hotels in der Umgebung ausgebucht. Wir schauen uns einen Teil der Show an und wenden uns dann aber lieber den Ruinen des Forts und des Badehauses direkt am North-Tyne zu.

Nächste Station ist das Fort Brocolitia, von dem man nur den Grenzwall erkennen kann. Sonst ist hier nichts ausgegraben. Auf ihm weiden in aller Ruhe einige Schafe. Etwas weiter außerhalb des Walles liegt ein Mithraeum. Hier gab es offensichtlich den Mithras-Kult, der im 2. und 3. Jahrhundert bei den römischen Soldaten sehr beliebt war. Über den konkreten Inhalt ist sehr wenig überliefert.

Im Museum von Housestead sind die örtlichen Fundstücke ausgestellt. Beeindruckend sind hier die drei Gestalten in Kapuzenmänteln. Es handelt sich um die genii cucullati - keltische Schutzgeister, die in ganz Nordeuropa vereehrt wurden und von den römischen Soldaten am Hadrianswall auch angebetet wurden
Im Museum von Housestead sind die örtlichen Fundstücke ausgestellt. Beeindruckend sind hier die drei Gestalten in Kapuzenmänteln. Es handelt sich um die genii cucullati – keltische Schutzgeister, die in ganz Nordeuropa vereehrt wurden und von den römischen Soldaten am Hadrianswall auch angebetet wurden

Weiter geht es nach Housesteads Roman Fort. Hier haben die Römer den Hadrians Wall über eine Hügelkette gebaut und eben dort ein uneinnehmbares Fort oben auf eine Anhöhe gebaut. Zugänglich ist dieses  Fort auch heute nur über einen steilen Weg.

Zur Feier von 1900 Jahren Hadrianswall hat eine Künstlerin eines der Tore von Housestead Fort als Kunstwerk wieder aufgebaut. So ergibt sich die Möglichkeit, hinaufzusteigen und die gleiche Perpektive zu genießen, wie einst die römischen Soldaten
Zur Feier von 1900 Jahren Hadrianswall hat eine Künstlerin eines der Tore von Housestead Fort als Kunstwerk wieder aufgebaut. So ergibt sich die Möglichkeit, hinaufzusteigen und die gleiche Perpektive zu genießen, wie einst die römischen Soldaten

In der Ausstellung wird uns klargemacht, dass wir den Hadrians Wall in einem besonderen Jahr besuchen. 122 n. Chr. besuchte Kaiser Hadrian Nordengland  und gab zur Konsolidierung der Grenze zu den Pikten diese Mauer bei seinen Legionen in Auftrag, also vor 1900 Jahren. Deshalb also alle diese Aktivitäten rund um die Mauer. In Housesteads hat eine Künstlerin auf den Grundmauern des Nordtors aus Gerüstmaterial ein Tor nachgebildet und mit sehr bunten Holzplatten verkleidet, die von den Bürgern der Gegend gestaltet wurden.

Der Blick aus dem temporär errichteteten Tor zeigt, wie sich der Hadrianswall scheinbar schwerelos die Hügel entlang schwingt
Der Blick aus dem temporär errichteteten Tor zeigt, wie sich der Hadrianswall scheinbar schwerelos die Hügel entlang schwingt

In dem Fort erkennen wir mittlerweile ohne viel Erklärung die Struktur und die Funktion der einzelnen Gebäude. Die Römer hatten eine sehr standardisierte Planung, die wir langsam kennen. Bei dem Fort handelt es sich um ein ausschließlich militärisch genutztes Objekt. Die Zivilisten mussten außerhalb der Mauern siedeln und konnten nicht wie in Corbridge den Schutz der Garnison nutzen.

Im Auto sitzen wir bei eingeschalteter Zündung und laufender Klimaanlage mit offenen Türen und planen den weiteren Nachmittag. Das ist keine gute Idee! Als wir gegen 15:00 Uhr den Motor starten wollen, springt er nicht gleich an und danach hört man nur noch das Klicken der Start-Relais. Wir schalten alles aus und melden das Problem Europcar und man verspricht uns einen RAC-Service zu schicken. Wir müssen bis 17:00 Uhr auf ihn warten. Der Mechaniker setzt sich ins Auto und macht auch einen Startversuch, um sich das Ganze noch einmal selbst anzuhören. Der Motor springt ohne zu murren an und wir stehen da wie die Deppen.

Klaus wartet auf den Servicetechniker, Mithras oder die Genii Cucullati. Vielleicht auch auf alle zusammen...
Klaus wartet auf den Servicetechniker, Mithras oder die Genii Cucullati. Vielleicht auch auf alle zusammen…

He needs his Masters Voice!

Der Mechaniker erklärt uns noch, dass die Batterie dieser Fahrzeuge zu klein ist und wir diese zu stark entladen haben. Nach einer Weile erholt sich diese wieder etwas, so dass es gerade reichte,  um den Motor zu starten.

In Haltwhistle behauptet man, dass der Ort das Zentrum Großbritanniens wäre
In Haltwhistle behauptet man, dass der Ort das Zentrum Großbritanniens wäre

Weiter geht es auf der B6318, aber die Ausgrabungsstätte bei Vindolanda  hat bereits geschlossen. In Haltwhistle finden wir nach kurzer Suche unser gebuchtes AirBnB. Es befindet sich in einem wunderschön ruhig gelegenen alten Haus von 1902, in dem unsere Gastgeber erst seit 4 Wochen wohnen. Da wir Vindolanda heute nicht mehr besuchen konnten und uns alle dazu geraten haben, entscheiden wir uns, eine weitere Nacht an diesem schönen Ort zu bleiben.

Sehr kurios: Working Mens Club in Haltwhistle
Sehr kurios: Working Mens Club in Haltwhistle

Unsere Gastgeber haben Mitleid mit uns wegen der Geschichte mit dem Auto und servieren uns im Garten in der späten Nachmittagssonne erst einmal ein Gläschen Bier zur Beruhigung. Dann kommt noch der taktische Hinweis, dass man in diesem kleinen Ort rechtzeitig ins Pub gehen sollte, wenn man noch was zu Essen haben will. Wir haben zwar noch Brot, Käse usw., aber folgen dem Hinweis. Dabei lernen wir, dass Pubs in dem Ort Sonntags Mittags die Küche schließen. Nur das indische Restaurant macht da nicht mit, so dass wir doch noch zu einer warmen Mahlzeit kommen.

Brücke über die South Tyne in Halwhistle
Brücke über die South Tyne in Halwhistle

Sorry, we are fully booked

Nach einem selbst organisierten Frühstück mit eigenen Zutaten und Zutaten aus der uns zur Verfügung gestellten Küche, starten wir von Wylam aus zurück zur Mauer. Der Himmel ist schwer mit Wolken verhangen und es sieht nach Regen aus. Die Straße B6318 zieht sich an der Mauer entlang, aber meist lässt sich die Existenz von Hadrians Wall nur durch Bodenformationen erahnen und teilweise zeugen lediglich Weidemauern aus entsprechend gearbeiteten Steinen davon, dass hier einmal der Hadrians Wall war. Der eigentliche Wall ist hier dann eingeebnet.

Im Reiseführer finden wir den Hinweis, dass es in Corbridge die Ausgrabung einer alten römischen Stadt gibt. Sie ist zwar nicht Teil des Hadrians Wall sondern liegt weiter südlich, aber für den Betrieb der Mauer in damaliger Zeit war sie von großer Bedeutung. Das heutige Corbridge ist eine kleine alte Stadt, die ihr touristisches Flair pflegt. Unser Auto parken wir auf dem öffentlichen Parkplatz jenseits der Tyne und gehen durch die Stadt zur Ausgrabungsstätte.

Das Museum ist exzellent gemacht. Alle Stücke sind gut beschriftet und zeitlich eingeordnet. Auch die Verbindung zwischen römischem Militär und der Zivilbevölkerung ist gut dargestellt. Auf dem angrenzenden Ausgrabungsgelände, das es bereits seit 1902 gibt, hilft ein Audioguide an verschiedenen Stellen mit sehr bildhafter Sprache, sich einen Eindruck von der damaligen Zeit zu machen.

Corbridge bzw. Corbis, wie die Römer es damals nannten, war eine der wichtigsten Städte im Norden von England bzw. Albion, wie es damals die Römer nannten. Mit dem Abzug der Römer schwand die Bedeutung der Stadt und sie verfiel. Ein neuer Stadtkern bildete sich an der neuen Brücke weiter im Osten. Die Steine wurden, wie damals üblich, zum Bauen  neuer Gebäude verwendet. Nach und nach überwucherte der alte Teil und wurde erst in der viktorianischen Zeit „wiederentdeckt“. Parallel zu den Erklärungen der römischen Stadt befinden sich auf dem Gelände auch Schautafeln, die von diesen Ausgrabungen und den Leuten, die daran mitgearbeitet haben, berichten.

Tyne Brücke in Corbridge. Die alte römische Brücke ein Stückchen weiter neben der alten Römerstadt sah auch nicht viel anders aus.
Tyne Brücke in Corbridge. Die alte römische Brücke ein Stückchen weiter neben der alten Römerstadt sah auch nicht viel anders aus.

Wir gehen zurück nach Corbridge und genießen in einem Tea Room einen Afternoon Tea samt herrlichen Scones mit Clotted Cream und frischen Erdbeeren. Langsam fangen wir an, uns Gedanken über unsere nächste Übernachtung zu machen. Die Suchen bei Booking.com und AirB&B ergeben keine wirklich guten Ergebnisse. Also fahren wir durch den Nieselregen erst einmal weiter nach Chester, wo es Ruinen der alten Römerbrücke über die North-Tyne und ein angeschlossenes Fort geben soll. Als wir dort ankommen, wird uns gesagt, dass die Anlage gleich um 16:30 Uhr schließt, aber auf der anderen Seite der North-Tyne die Reste der Brücke frei zugänglich sind.

Der Fluss hat sich im Laufe der zahlreichen Jahrhunderte in Richtung des anderen Ufers verlagert, so dass dieser Brückenkopf nun an Land liegt. Die Begrenzung zum Fluss hin ist noch gut erhalten. Links sind die Reste eines Turms zu erkennen. Rechts führte eine Straße über die Brücke.
Der Fluss hat sich im Laufe der zahlreichen Jahrhunderte in Richtung des anderen Ufers verlagert, so dass dieser Brückenkopf nun an Land liegt. Die Begrenzung zum Fluss hin ist noch gut erhalten. Links sind die Reste eines Turms zu erkennen. Rechts führte eine Straße über die Brücke.

Im mittlerweile kräftigen Regen machen wir uns auf den Weg zu den Brückenresten und werden auf dem Weg verständnislos von den Schafen angeschaut, die Schutz unter Bäumen und Büschen gesucht haben. Etwas durchnässt sitzen wir kurz darauf wieder im Auto. Eine Unterkunft haben wir immer noch nicht. Wir fangen an, verschiedene Hotels und B&Bs abzutelefonieren oder anzufahren. Wir bekommen zwei verschiedene Standardantworten:

Neben der Brücke lagern fein säuberlich nebeneinander sorgfältig gehauene Steinblöcke
Neben der Brücke lagern fein säuberlich nebeneinander sorgfältig gehauene Steinblöcke
  1. „Sorry, we don’t do B&B any more.“

  2. „Sorry, we are fully booked tonight.“

Wo wollt Ihr denn hin, bei dem Regen?
Wo wollt Ihr denn hin, bei dem Regen?

Ein B&B in Humshaugh, das auch ausgebucht ist, vermittelt uns weiter zum „Simon Burns Cottage“. Dort erfahren wir, dass auch hier eine Buchung für die kommende Nacht vorliegt, die Gäste aber noch nicht erschienen sind. Die Wirtin Judith des B&B wollte dies nun klären und sich melden, wenn das Zimmer frei ist. Nach einiger Zeit ruft sie zurück und bietet uns das Zimmer an. Einziger Haken, es muss bar bezahlt werden und unsere Barbestände geben das nicht her. Wir müssen also erst 6 Meilen nach Hexham fahren, um dort einen Geldautomaten zu finden. Dort soll es auch einige Hotels geben. Wenn wir dort sind, wollen wir  es erstmal vor Ort versuchen. Denn mittlerweile sind wir auch ziemlich hungrig. In Hexham finden wir zwar einen Geldautomaten, aber alle Hotels, die wir anfragen, antworten mit der gleichen Standardantwort. Also besorgen wir uns Bares und etwas nette Verpflegung für den Abend und fahren zurück zu Judiths B&B.

Abendbrot mit Blick auf eine Rinderweide
Abendbrot mit Blick auf eine Rinderweide

Das B&B erweist sich als ein absoluter Glücksgriff. Wir beziehen ein geschmackvoll eingerichtetes großes Zimmer mit einem ebensolchen Bad. – Was will man mehr? – Auf der Weide gegenüber weiden Rinder und der Blick aus dem Fenster schweift über das Tal. Für die nächste Nacht buchen wir gleich eine Unterkunft in Haltwhistle. So einen Stress wollen wir nicht noch einmal haben.