Archiv der Kategorie: Europa

Street Art in Amsterdam

Nach den COVID Jahren kommt dieses Jahr das Twinning Treffen des Wirtschaftskreises Hannover mit den 39ern in Bristol zustande, das eigentlich 2020 stattfinden sollte.

Fahrräder am Amsterdamer Hauptbahnhof - wie gut, dass die nicht alle mit dem Auto in die Stadt gefahren sind...
August 2022: Fahrräder am Amsterdamer Hauptbahnhof – wie gut, dass die nicht alle mit dem Auto in die Stadt gefahren sind…

Wir haben uns entschieden, mit dem Zug nach Bristol zu reisen. Die Reise von Hannover geht über Amsterdam, also einmal wieder eine gute Gelegenheit, einen Zwischenstopp in Amsterdam einzulegen.

Der gesperrte Fahrradständer vor dem IBI Hotel in Amsterdam
August 2023: Wo sind all die Fahrräder geblieben? Ein neues unterirdisches Fahrradparkhaus soll am Centraal Bahnhof eröffnet haben. Nun werden die riesigen Fahrradständer am Bahnhof abgebaut.

Alle Sachen sind gepackt und wir machen uns bereits früh auf den Weg, um den Zug um 8:40 Uhr zu bekommen. In der Straßenbahn fällt Klaus auf, dass ihm sein Portmonnaie fehlt. Also nächste Station wieder raus und schnell zurück nach Hause und das Teil holen. Dabei kann Klaus gleich einmal ausprobieren, ob er noch laufen kann (Er kann!). Die Zeit ist leider nun ziemlich knapp. Zu guter Letzt bekommen wir den Zug.

Mir der kostenlosen Fähre geht es ruck zuck über die Ej nach Nord-Amsterdam
Mir der kostenlosen Fähre geht es ruck zuck über die Ej nach Nord-Amsterdam

Amsterdam empfängt uns wie üblich mit gutem Wetter. Zum Check-In im Hotel ist es noch zu früh, aber wir können unser Gepäck im Hotel lassen. Als wir das letzte Mal in Amsterdam waren, war der Platz vor dem Hotel und auch das angrenzende Fahrradparkhaus randvoll mit Fahrrädern. Diese sind nun alle verschwunden. Auf Nachfrage im Hotel wird uns berichtet, dass es ein neues Fahrradparkhaus „unter Wasser“, also als Tiefgarage geben soll.

Auf dem alten Werftgelände entstehen die nun in vielen Hafenstädten emporwachsenden Häuser im Schachteldesign. Das sieht in der Hamburger Hafencity und Göteborg auch nicht viel anders aus.
Auf dem alten Werftgelände entstehen die nun in vielen Hafenstädten emporwachsenden Häuser im Schachteldesign. Das sieht in der Hamburger Hafencity und Göteborg auch nicht viel anders aus.

Wir wollen heute auf dem alten NDSM Werft-Gelände eine Ausstellung im STRAAT-Museum zum Thema Street Art und Graphik anschauen. Dazu nehmen wir die kostenlose Fähre über die Ij in den nördlichen Teil von Amsterdam.

Das Museum ist in einer alten Lagerhalle der Werft untergebracht. Ein sehr passendes Umfeld für diese Kunst, die uns beeindruckt und mitreißt. Allerdings wirken einige Stücke ein wenig entrückt, da es je eben keine Straße ist und Street Art lebt ja auch davon, dass sich die Werke weiter entwickeln. Dies lässt sich dann im Außenbereich nachvollziehen, wo fleißig an Graffitos gearbeitet wird.

In einer anderen alten Halle haben sich eine Menge kleine Firmen mit Büros und Ateliers angesiedelt. Da es aber bereits später Nachmittag ist, ist da nicht mehr viel los.

Hier stapeln sich die Leihfahrräder in einer Halle
Hier stapeln sich die Leihfahrräder in einer Halle

Im Film-Museeum „EYE“ legen wir nach unserer Wanderung durch die sich wandelnden Docks von Amsterdam eine Pause ein und erstehen Karten für den Film „Oppenheimer“, den wir eigentlich in Hannover schon sehen wollten.

Etwas unkonventionelle Vorgartenpflanze im Neubauviertel
Etwas unkonventionelle Vorgartenpflanze im Neubauviertel

Von dem Film sind wir beide ziemlich enttäuscht, da er eigentlich eher eine Nabelschau der Kommunisten-Phobie der Amerikaner darstellt. Die Auswirkungen der Entwicklung, die Gewissensprobleme und auch die anderen Sichten z.B. der Russen,der Japaner, der Europäer und dem Rest der Welt kommen nur als Fußnoten vor. Stattdessen werden die politischen Ränkespiele in den USA dargestellt, aber auch diese nicht wirklich erklärt.

Fast lautlos fährt dieses kommunale Boot unter der Brücke hindurch, auf der wir gerade stehen. Es hat offensichtlich einen Elektroantrieb.
Fast lautlos fährt dieses kommunale Boot unter der Brücke hindurch, auf der wir gerade stehen. Es hat offensichtlich einen Elektroantrieb.

Wie feiert man Sylvester in Mailand

Die Basilika San Lorenzo wurde im 4. Jahrhundert noch außerhalb der Stadtmauern gebaut. Das römische Amphittheater, der kaiserliche Palast und der Zirkus waren nicht weit entfernt. Es gab also schon viele Gebäude und auch viel Baumaterial, das für den Bau der Basilika recycelt werden konnte.
Die Basilika San Lorenzo wurde im 4. Jahrhundert noch außerhalb der Stadtmauern gebaut. Das römische Amphittheater, der kaiserliche Palast und der Zirkus waren nicht weit entfernt. Es gab also schon viele Gebäude und auch viel Baumaterial, das für den Bau der Basilika recycelt werden konnte.

So, heute ist Sylvester. Wir wollen versuchen herauszufinden, wie es hier in Mailand läuft. Der Reiseführer gibt die Information, dass die Mailänder an diesem Tag gerne gut Essen gehen und richtig schick feiern.

Die Statue von Kaiser Konstantin I. (eine Kopie einer Statue in Rom) vor der Basilika, der so friedlich die Taube auf seinem abgebrochenen Schwert sitzen lässt, steht da noch gar nicht so lange. In den 1930er Jahren war es politisch sehr angesagt, sich für die alten Römer zu interessieren und so landete 1939 diese Statue vor der Basilika
Die Statue von Kaiser Konstantin I. (eine Kopie einer Statue in Rom) vor der Basilika, der so friedlich die Taube auf seinem abgebrochenen Schwert sitzen lässt, steht da noch gar nicht so lange. In den 1930er Jahren war es politisch sehr angesagt, sich für die alten Römer zu interessieren und so landete 1939 diese Statue vor der Basilika

Gut, das kleine Schwarze haben wir nicht dabei und wollen uns auch nichts in dieser Form mehr zulegen, aber wir haben für heute Abend einen Tisch für zwei Personen im nahegelegenen Restaurant reserviert und wollen danach durch die Straßen unserer Gegend streifen.

Der Platz vor der Kirche war ein frühchristliches Atrium, so ähnlich wie es bei St. Ambrosius noch besteht. Hier ist jedoch nur noch die gegenüberliegende Säulenreihe erhalten. Diese Säulen jedoch wurden auch schon recycelt und gehörten vorher zu einem weltlichen römischen Gebäude.
Der Platz vor der Kirche war ein frühchristliches Atrium, so ähnlich wie es bei St. Ambrosius noch besteht. Hier ist jedoch nur noch die gegenüberliegende Säulenreihe erhalten. Diese Säulen jedoch wurden auch schon recycelt und gehörten vorher zu einem weltlichen römischen Gebäude.

Bis dahin ist noch viel Zeit und wir besuchen als erstes die Kirche San Lorenzo bei uns um die Ecke. Sie soll das Vorbild für die Hagia Sofia gewesen sein, die wir in Istanbul besucht haben und die uns sehr beeindruckt hat. Dann können wir das Vorbild natürlich nicht auslassen! Wir sind schon einige Male an ihr vorbei gelaufen auf dem Weg zu den Navigli, aber das war immer im Dunkeln. Heute  sind wir zum ersten Mal bei Tageslicht dort.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Fläche des frühchristlichen Atriums mit normalen Wohngebäuden bebaut und die Säulen müssen irgendwie mitten auf der Straße gestanden haben. Diese Gebäude wurden 1934/35 abgerissen, um die Verbindung zwischen den Säulen und der Kirche wieder sichtbar zu machen. Aber erst im Jahr 2000 wurden die Straßenbahnschienen verlegt. Vorher fuhr die Straßenbahn zwischen Säulen und Kirche hindurch. Nun quält sie sich dicht vor den Häusern hindurch.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Fläche des frühchristlichen Atriums mit normalen Wohngebäuden bebaut und die Säulen müssen irgendwie mitten auf der Straße gestanden haben. Diese Gebäude wurden 1934/35 abgerissen, um die Verbindung zwischen den Säulen und der Kirche wieder sichtbar zu machen. Aber erst im Jahr 2000 wurden die Straßenbahnschienen verlegt. Vorher fuhr die Straßenbahn zwischen Säulen und Kirche hindurch. Nun quält sie sich dicht vor den Häusern hindurch.

Mit einigem Abstand vom Kirchenportal steht eine Reihe alter Säulen dicht an der nächsten Häuserfront. Zwischen Säulen und Häusern quält sich noch die Tram eingleisig hindurch. Auf den alten Steinen sitzen abends gern die Jugendlichen. Ein paar Bars und Restaurants sind auch gleich um die Ecke.

Die Kirche selbst wirkt auf den ersten Blick ein wenig schmucklos, was sicherlich auch daran liegt, dass gerade renoviert wird und viele Bilder abgenommen wurden. Trotzdem beeindruckt die lange Geschichte und einige Mosaike und Wandmalereien in den Seitenkapellen.

Auf dem Rückweg zu unserem Appartement gehen wir noch ein wenig shoppen und kommen an einem sehr nett aussehenden Lokal vorbei, wenn wir nicht schon reserviert hätten…

Unsere Einkäufe laden wir in unserer kleinen Wohnung ab und laufen dann zum Domplatz, um wieder eine Fahrkarte zu kaufen. Bevor es abends losgeht, haben wir noch einige Bauten aus der Zeit des Art Nouveau und Art Deco herausgesucht, die wir uns  anschauen wollen. Sie liegen alle im gleichen Quartier an der Porta Venezia. Auf dem Weg dorthin, statten wir noch dem Palazzo von Giorgio Armani, der in der alten Adels Gegend bei der Scala liegt, einen Besuch ab – alles sehr gediegen und gepflegt.

Das Jugendstil-Haus, das wir dann zu sehen bekommen, ist ein absolutes Schmuckstück und super in Schuss. Die Fassade ist mit bemalten Fliesenflächen geschmückt und die Balkongeländer ranken sich Pflanzen gleich empor. Benachbart gibt es einige Art Deco Bauten. Wir schlendern weiter durch die Straßen zu einen ausgeprägten Gebäude-Ensemble und landen in einem Palazzo, der das Institut für Blinden Ausbildung beinhaltet.

Wir werden auf den Eingang zu der Großindustriellen Villa von Necchi Campiglio aufmerksam, die man besichtigen kann. Diese Villa wurde 1934 von Piero Portalupi im Stil des Mailänder Novecento entworfen und erbaut. Der Eintritt ist mit 14€ pro Person zwar gewaltig, aber wir entscheiden uns dafür, dieses Geld zu investieren und werden nicht enttäuscht.

Zunächst einmal sind die Mitarbeiter des FAI, der diese Villa als Museum betreibt ausgesprochen kompetent und engagiert Erklärungen zu dem Bau und zu den enthaltenden Kunstgegenständen zu geben. Die Villa war mit Unterbrechung durch den 2. Weltkrieg und die Zeit danach bis 2001 von der Necchi Campiglio Familie bewohnt. Danach wurde sie an die FAI vererbt mit der Maßgabe sie so zu erhalten, wie sie entworfen wurde.

In den Jahre war sie Schauplatz für Besuche von Großindustriellen, Adeligen und Gekrönten.

Nach dem 2. Weltkrieg wollte die Familie Necchi Campiglio das Innere noch etwas aufpäppeln und ließ einige Räume deutlich barocker gestalten. Leider sind damals einige Möbel aus der Anfangszeit verloren gegangen. Heute dient die Villa als Museum, Filmkulisse und manchmal auch als Event Location. Darüber hinaus beherbergt sie einige Kunstschätze z.B. von Picasso, Matizze.

Nach dem Besuch der Villa bummeln wir zurück zu unserer Behausung. Auf dem Plaza Duomo gibt es viele Menschen, aber es nicht zu erkennen, dass wie in den früheren Jahren Life Musik hier sein würde. Durch Corona und einige negative Erlebnisse der jüngeren Vergangenheit hat Mailand offensichtlich darauf verzichtet, diese Tradition wieder aufleben zu lassen.

Als wir gegen 18:00 Uhr bei dem Restaurant vorbeikommen, in dem wir für 20:00 einen Tisch reserviert haben, ist immer noch alles dunkel. Vielleicht macht der Laden ja gleich noch auf. Da es morgen wieder Richtung Heimat geht, wollen wir so weit es geht bereits unsere Koffer packen. Gegen Acht machen wir uns auf zum Restaurant, aber es ist geschlossen. Wir haben keine Ahnung, was da schief gelaufen ist. Vermutlich hat uns der Mitarbeiter nicht verstanden und einfach geflissentlich die Reservierung entgegengenommen, ohne uns zu informieren, dass der Laden am 31.12 gar nicht öffnet.

Was nun? Wir handeln nach der Devise „Auf Reisen soll man alles so hinnehmen wie es kommt und sich dann über alles freuen was funktioniert!“ und ziehen wir weiter, um ein Restaurant zu finden, das ein Plätzchen für uns hat. Eines, das uns bereits gestern von aussen aufgefallen war, bedeutet uns zwar, dass ohne Reservierung nichts gehen würde, aber wir sollen warten, vielleicht kann man etwas machen und so ist es auch, man quetscht noch einen Tisch für zwei Personen dazwischen. Noch ist der Laden fast leer und wir können in aller Ruhe unsere Bestellungen loswerden. Gegen 21:00 ändert ich die Situation schlagartig. Eine Gesellschaft mit gut 30 Personen, sowie einige Gesellschaften mit 6-8 Personen betreten wie auf Kommando fast gleichzeitig das Restaurant.

Nun haben die Bedienungen zwischen den Plätzen nur noch etwa 40 cm Platz. Trotzdem fegen sie mit hoher Geschwindigkeit durch die Reihen, nehmen Bestellungen auf und servieren Getränke. Wir sind froh, dass wir bereits unsere Vorspeise hinter uns haben und dann bald auch die Hauptspeise kommt. Dass dabei die Bestellung des Salates als Beilage auf der Strecke bleibt, nehmen wir nicht als weiter tragisch hin. Wie gesagt: Über alles freuen, was funktioniert. Wir sitzen an unserem Tisch zwischen einer Gruppe aus der Schweiz und einem Pärchen aus Israel und beobachten amüsiert das Treiben. Irgendwann gelingt es der Restaurantbesatzung die Situation in den Griff zu bekommen und es setzt für eine Weile „gefräßige Stille“ ein.

Wir nutzen die Situation noch Getränke und Desert zu ordern, was dann einige Zeit später auf unserem Tisch steht. Na also, geht doch!

Nachdem wir gezahlt haben, begeben wir uns auf die Straße. Leider hat es angefangen zu nieseln. Trotzdem treiben sich auf der Straße viele Youngster herum und der eine oder andere Knallkörper geht hoch. Das ist aber nichts im Vergleich zu dem, was wir vor vielen Jahren in Rom erlebt haben, als sich durchaus gewaltbereite Gruppen gegenseitig mit größeren Kalibern beworfen haben. Damals haben wir uns in unser Hotel zurückgezogen.

Wir bummeln zum immer noch weihnachtlich beleuchteten Naviglio Grande, wo alle Restaurants und Bars mit Musik kräftig belegt sind. Auf der Straße bieten einige Stände karibische Cocktails an und haben die Lautstärker mit entsprechenden Klängen aufgedreht. Irgendwie ist uns nicht danach, uns dazwischen zu drängen und für den Zeitvertreib auf der Straße ist das Wetter zu schlecht. Also gehen wir zurück in unsere Unterkunft, wo wir zu Mitternacht mit unserem letzten Bitter Lemon anstoßen.

Castello, die Zweite

Auf unserem Weg zum Castello kommen wir an Überresten des kaiserlichen Palastes aus dem 3. Jahrhundert vorbei. Außer ein paar Mauerresten ist nicht viel zu sehen.
Auf unserem Weg zum Castello kommen wir an Überresten des kaiserlichen Palastes aus dem 3. Jahrhundert vorbei. Außer ein paar Mauerresten ist nicht viel zu sehen.

Da wir beim letzten Besuch nur einen sehr kleinen Teil der Ausstellungen gesehen haben, begeben wir uns nach dem Frühstück direkt in das Castello. Die Ausstellung ist so aufgebaut, dass man noch einmal wieder von Anfang starten muss. Durch das untere Stockwerk gehen wir im Schnelldurchgang. Ein Stockwerk höher bemerken wir, dass wir bei den Möbeln den ganzen Teil von etwa 1800 bis in die Moderne nicht gesehen haben.

Die Entwicklung der Möbel ist immer prunkvoller, ja teilweise schon viel zu überladen. Um 1920 dann der harte Schnitt mit klaren Linien und wenig Schnörkeln. Eine Entwicklung, wie wir sie ja auch aus Deutschland mit der Bauhaus-Bewegung kennen. Danach gibt es noch einige sehr moderne Möbel italienischer Designer, bei denen die Formen nicht mehr eckig sind oder rechte Winkel vermieden werden. Auch die Farbgebung ist sehr gewöhnungsbedürftig.

Ein weiterer Teil, den wir beim letzten Besuch nicht mehr geschafft hatten, ist die Pinakothek. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf religiösen Motiven. Nach einiger Zeit wiederholen sich die Themen. Von der Technik her kann man die Entwicklung mit der Einführung der Perspektive, dem Verschwimmen von Strukturen in der Entfernung und der immer besser werdenden Darstellung von Gesichtern und Körpern erkennen.

Im letzten Teil der Pinakothek ist das Schwinden des Einflusses der Kirche zu erkennen. Themen aus der Antike, sowie Bilder mit weltlichem Inhalt tauchen auf und es gibt sogar schon einige Stilleben. Nach so vielen Bildern brauchen wir erst einmal eine Pause. Wir wissen ja vom letzten Mal, dass das Café im Hof ist.

Heute ist das Café gut gefüllt, aber wir finden einen Tisch für zwei Personen. Auf dem Weg zu den sanitären Anlagen wird Klaus von einem jungen Mann angehalten, der sich als sein Praktikant aus Indien von vor einem Jahr entpuppt. Er ist mittlerweile mit seinem Studium fertig und bei Siemens in Erlangen gelandet. Die Welt ist doch ein Dorf. Allerdings erinnert sich Klaus, dass er eine Tante in Mailand hat. Die Wahrscheinlichkeit ihm über den Weg zu laufen, war dann doch nicht so klein.

Wie eine Geige gebaut wird
Wie eine Geige gebaut wird

Nach der Mittagspause wollen wir uns die Musikinstrumentenausstellung im zweiten Stock anschauen. Aber wie kommt man dahin? Wir gehen zurück in den Eingangsbereich und es findet sich tatsächlich ein Weg mit vielen Treppen, der uns direkt zu den Instrumenten führt. Zu Beginn dieser Ausstellung geht es erst einmal darum, wie ein Saiteninstrument entsteht.

Danach sehen wir Gitarren, Mandolinen und Mischformen, wie wir sie vorher noch nicht gesehen haben. Mit dem Smartphone kann man einen QR-code einlesen und sich einige Klangbeispiele anhören. An die Zupfinstrumente schließt sich ein Raum mit exotischen Instrumenten aus aller Welt an. Dort finden sich dann auch Stehgeigen, Xylophone und ein Didgeridoo.

Rechts ein schlangenartiges Blasinstrument von ca. 1800
Rechts ein schlangenartiges Blasinstrument von ca. 1800

Bei den Geigen ist das älteste Instrument von 1640 und die Sammlung ist riesig. Allerdings dürften einige Stücke keine ordentlichen Töne mehr von sich geben, da sie bereits einige Schäden aufweisen. Die Sammlung von Blasinstrumenten umfasst ebenfalls eine große Menge mittelalterlicher Instrumente, von denen man sich per QR-Code auch einige Klangbeispiele anhören kann.

Ein Giraffen Piano
Ein Giraffen Piano

Der letzte Teil der Musikalien-Sammlung ist dem Piano und dem Cembalo gewidmet. Den verschiedenen Instrumenten ist anzusehen, dass sie immer auch mit dem zur Verfügung stehenden Platz zu kämpfen hatten. Klar mussten irgendwann die Saiten senkrecht an die Wand und das Klavier wie wir es kennen entstand. Da das Piano aber auch den größten Tonumfang bot, haben viele Komponisten für dieses Instrument Musik geschrieben und es zog, bevor es Radios gab, in die Wohnzimmer des Bürgertums ein.

Glaskunst von Vittoria Parinello:Erdanziehungskraft, 2016
Glaskunst von Vittoria Parinello:
Erdanziehungskraft, 2016

Zum Abschluss schauen wir uns noch eine Ausstellung Kunstwerken aus Glas an. Wir sind für den heutigen Tag aber nicht mehr besonders aufnahmefähig und machen uns auf den Heimweg. Auf dem Hinweg hatten wir noch eine Straße mit netten kleinen Läden entdeckt und nutzen deshalb den Rückweg für einen Schaufensterbummel.

Schaufensterbummel in Mailand sind immer interessant: Hier ein Herrenschneider
Schaufensterbummel in Mailand sind immer interessant: Hier ein Herrenschneider

Nach einer Pause in unserer Ferienwohnung haben wir gegen 22 Uhr Lust auf ein Getränk und brechen noch einmal zu einem Spaziergang auf. Die Stadt scheint sich aber in Vorbereitung auf den morgigen Tag noch einmal auszuruhen. Es werden gerade alle Bars und Restaurants geschlossen.

Ein Kanal, der nicht mehr ist

Die Mailänder Börse residiert im 1929 erbauten Palazzo Mezzanotte, der typische faschistische Skulpturen hat. Die davor stehende Skulptur L.O.V.E. des Künstlers Maurizio Cattelan (eine zum faschistischen Gruß ausgestreckten Hand, der alle Finger abgehackt wurden bis auf den Mittelfinger) versucht, diese Fassade zu konterkarieren.
Die Mailänder Börse residiert im 1929 erbauten Palazzo Mezzanotte, der typische faschistische Skulpturen hat. Die davor stehende Skulptur L.O.V.E. des Künstlers Maurizio Cattelan (eine zum faschistischen Gruß ausgestreckten Hand, der alle Finger abgehackt wurden bis auf den Mittelfinger) versucht, diese Fassade zu konterkarieren.

Heute geht es zum Naviglio della Martesana, der Kanal, der in seinem Konzept auf Leonardo da Vinci zurück geht. Er begann an der alten Stadtmauer, die davor einen wasserführenden Graben hatte und ging bis zum Lago di Como. Heute sind die Gräben der alten Stadtmauer zugeschüttet und dienen als Straßen. Auch der alte Naviglio ist im ersten Stück unter Straßen verschwunden.

Der Kanal Navigli Martesana ist komplett leer!
Der Kanal Navigli Martesana ist komplett leer!

Wir fahren mit der Metro Linie 2 bis nach Vimodrone und wollen dem Naviglio von hier in Richtung Mailand folgen. Dabei soll unser Weg den kleinen Fluss Lambro kreuzen, der auch den Kanal mit Wasser speist.

Als wir am Naviglio ankommen, sind wir ziemlich überrascht. Zum einen ist das Kanalbett in Beton gefasst und er ist trocken. Vermutlich führt der Lambro nicht genug Wasser. An den Seiten kann man sehen, dass er einmal etwa 1m Wassertiefe hatte.

Links und rechts des Kanals befinden sich Wohngebiete und ein Grünstreifen. Wir teilen uns den Weg mit Fahrradfahrern, die hier bei bedecktem Wetter ihre Weihnachtsessen abstrampeln. Mit der Annäherung an den Lambro kommen noch einige Gewerbebauten hinzu, die den Naviglio säumen. Gleichzeitig werden die „Ufer“ etwas ungepflegter. Am Lambro sehen wir dann, dass der Fluss tatsächlich zu wenig Wasser führt und man das restliche Wasser im Flussbett belässt. Deshalb ist der Naviglio leer. Neben dem Lambro verläuft noch eine ziemlich laute Autobahn, die diesen Bereich nicht gerade zu einem Kleinod macht.

Wir gehen weiter am trockenen Naviglio entlang, an dessen Ufern sich etwas heruntergekommene Kleingärten breit gemacht haben. Dann wird es immer städtischer und an den Kanal schmiegen sich Villen, die aber ihren Charme verloren haben, da man auf die andere Seite des Kanals eine stark befahrene Straße mit mehrgeschossigen Gebäuden gesetzt hat. Es dominieren Tankstellen, Sex Shops und Body Building Studios. Zwischen Crescenzago und Ponte Nuovo, wo früher die Ovomaltine Fabrik war, ist der Naviglio dicht gesäumt von Bauten. Auf dem Gelände der ehemaligen Fabrik entstehen neue Wohnviertel. Hier fallen uns auf dem Kanalgrund das erste Mal ziemlich große Nagetiere auf, die keine Scheu vor uns haben. Wir googeln und finden heraus, dass es sich um Nutria handelt, die sich hier offensichtlich heimisch fühlen.

Gedenkstätte in Gorla
Gedenkstätte in Gorla

Es drängt sich die Frage auf, ob man den nicht mehr gebrauchten Kanal, der eh kein Wasser mehr führt, nicht zu einer Grünzone mit Rad- und Wanderweg machen sollte. Nach Gorla herein begrenzt der Naviglio nördlich einen Park, in dessen angrenzendem Wohngebiet wir eine kleine Cafeteria für eine Pause finden. Danach begeben wir uns in Richtung der Metro Linie 1, die uns zur Porta Venezia am Giardini Indro Montanelli bringen soll. Auf dem Weg kommen wir an einer Gedenkstätte des Fliegerangriffes vom 20.10.1944 vorbei, bei dem eine Schule mit Kindern getroffen wurde. Über dem Mahnmal steht „Das ist Krieg“ und dem ist nichts hinzuzufügen.

Kinderbespaßung im Park
Kinderbespaßung im Park

Am Giardini Indro Montanelli, der früher einmal einen zoologischen Garten enthielt, sind wir wieder überrascht. Jede Menge Familien strömen dort hin und wir werden gewahr, dass hier ein Wintermarkt mit Buden, Karussells und einer Eislaufbahn aufgebaut wurde. Wir lassen diese Szenerie mit einem „Vin Brulé“, was unserem Glühwein nahe kommt, auf uns wirken.

Danach schlendern wir durch den Park, der abseits des Wintermarktes ziemlich verträumt wirkt. Bei der Statue von Indro Montanelli verlassen wir den Park. Indro Montanelli war übrigens ein ziemlich umtriebiger Journalist, der heftig angeeckt ist und das politische Spektrum sehr weitgehend ausprobiert hat. Entsprechend umstritten ist er.

Wieder geht es mit einer schönen alten Straßenbahn auf der Linie 1 zurück
Wieder geht es mit einer schönen alten Straßenbahn auf der Linie 1 zurück

Mit der Tram-Linie 1 fahren wir wieder in Richtung Duomo und begeben uns zurück in unsere Behausung. Heute Abend wollen wir uns wieder selbst bekochen und dafür sorgen, dass wir keine Reste hinterlassen.

Wie man Stadtentwicklung nicht machen sollte

Neue Wohngebäude an der Via Ignazio Gardella
Neue Wohngebäude an der Via Ignazio Gardella

Etwas weiter entfernt von uns und noch hinter den Gebäuden von Zaha Hadid und Daniel Libeskind am City Life gibt es noch ein Neubaugebiet auf dem ehemaligen Alfa Romeo Gelände. Dies wollen wir uns auch noch anschauen.

Piazza Gino Valle und Fußgängerbrücke
Piazza Gino Valle und Fußgängerbrücke

Mit der Straßenbahn zuckeln wir von unserer Unterkunft im Zentrum nach Nordwesten. An der Haltestelle an der Viale Certosa finden wir erst einmal einen Media Markt. Wir haben die Idee einmal zu schauen, was für Musik man hier in Mailand so hört. Allerdings müssen wir feststellen, dass wir Beiden total veraltet sind. Tonträger wie CDs gibt es heute nicht mehr zu kaufen. Sich wie früher in Paris im FNAC durch die CDs zu hören und damit neue Anregungen für Musik zu bekommen, geht auch nicht mehr.

Figuren auf der Casa Milan
Figuren auf der Casa Milan

Also verlassen wir den Media Markt wieder und gehen weiter die Viale Renato Serra entlang. Neben uns braust der Verkehr und von den Gebäuden, die immer höher werden werden, trennt uns eine Mauer und ein hoher Zaun. Dann finden wir eine Wendeltreppe mit einem Aufzug in der Mitte, den wir aber nicht benutzen mögen, da vor dessen Tür auf dem Boden eine eingetrocknete Blutlache zu sehen ist.

Bloß nicht zu viel Phantasie!

Hügel auf dem ehemaligen Alfa Romeo Gelände namens "Spirals of Time". Die Skulptur auf der Spitze soll eine DNA symbolisieren.
Hügel auf dem ehemaligen Alfa Romeo Gelände namens „Spirals of Time“. Die Skulptur auf der Spitze soll eine DNA symbolisieren.

Wir sehen zu, dass wir nach oben kommen und landen auf einer riesigen leeren Betonfläche, die Piazza Gino Valle. Sie sieht zwar aus der Luft grafisch interessant aus, aber auf uns wirkt sie durch die angrenzende Bebauung abweisend und erinnert ein wenig an das Rollfeld eines Flughafens. In dem ganzen Komplex herrscht kein Leben und die Eingänge der Gebäude sind im Vergleich zu den Fassaden sehr klein. Wir gehen über die Fußgängerbrücke auf die andere Seite der Viale Renato Serra. Dort wurde ein Park angelegt. Die Brücke ist 2m hoch engmaschig vergittert, als wenn die Planer hier von Straßenschlachten ausgehen. Es verdichtet sich immer mehr ein ungutes Gefühl. Auch im Park wird man auf vergitterten Wegen geführt, z.B. auf einen Kegelhügel, auf dessen Spitze ein Doppelhelixweg führt.

Blick vom Spiralenhügel auf das neue Parkgelände und die umliegende Bebauung
Blick vom Spiralenhügel auf das neue Parkgelände und die umliegende Bebauung

Oben steht ein entsprechendes Gebilde in einem traurigen kleinen Teichbecken, das vor sich hin modert. Wir gehen wieder hinunter und landen an dem einzigen gelungenen Element dieses Parks, ein kleiner See, um den herum eine endlose Bank gebaut ist. Er wird auch prompt von der Bevölkerung der angrenzenden Wohnbebauung angenommen. Ansonsten ist der gesamte Park von einem massiven Zaun umgeben und wenig einladend. Nördlich grenzt ein neues Wohngebiet an, das zwar architektonisch interessant gestalltet ist, aber bei genauerem Hinschauen unten herum genauso abweisend wirkt.

Viel Geometrie und viele Zäune im neuen Park
Viel Geometrie und viele Zäune im neuen Park

Daneben befinden sich ein Einkaufszentrum, das dem neuen Wohngebiet und dem Park „den Hintern“ zuwendet. Als wir drin sind erkennen wir, dass es sich zu den älteren Bebauungen öffnet und dort eigentlich ganz nett ist. Hier ist auch viel Leben. Vermutlich hatte es bei seiner Entstehung Alfa Romeo im Rücken und es brauchte auf diesen Bereich keine Rücksicht genommen werden. Bei der Neugestaltung wurde die Öffnung aber versäumt.

Nach der Mittagspause im Einkaufszentrum begeben wir uns wieder zur Straßenbahn und fahren in Richtung Zentrum. Beim alten Friedhof „Monumentale“ steigen wir aus. Aus Erfahrung wissen wir, dass alte Friedhöfe sehr interessant sind. Durch einen imposanten Eingang gelangt man auf den Friedhof, der übersät ist mit genauso imposanten Grabmalen. Das mindeste auf einem Grab ist irgendeine Skulptur oder eine Statue. Viele Gräber sind Familiengräber mit kleinen Kapellen darauf, die häufig Auskunft über die Präferenzen der Familie geben und man hat den Eindruck, dass es einen Wettbewerb „Wer hat das eindrucksvollste Grab?“ gibt.

In Mailands China Town
In Mailands China Town

Nach einem Rundgang wird es Zeit, dass wir uns wieder unter die Lebenden begeben. Zwei Stationen weiter steigen wir in Mailands „China Town“ aus und schlendern durch die Straßen zur Porta Garibaldi, wo wir uns noch mit Tee und Kuchen stärken.

Von dort fahren wir zum Dom, um uns die Künstler des 19. Jahrhunderts im Museo de Novecento anzuschauen. Deutlich ist das Ringen der Künstler um eine eigene Richtung und die Abgrenzung zur Vergangenheit zu erkennen. Hier lassen wir uns kurz vor Schließung der Tore auf die Straße schieben und schließen den Abend in unserem Apartment ab.