Die Fischfabrik

Seit unserer Tour zu den Walen lässt uns die alte Fischfabrik nicht mehr los. Dorthin würden wir gern noch einmal zu Fuß. Leider sind das von uns aus 800m Höhenunterschied und etliche Kilometer Entfernung. Da wir bislang noch keine Wanderkarte erstanden haben (die Touristeninformationen hatten immer geschlossen, wenn wir kamen) wissen wir bislang nicht, wie wir dort hinkommen. Gestern auf unserer Wanderung haben wir zwar einen passenden Wegweiser gesehen, aber von uns ist das einfach etwas zu heftig.

Das Glück ist hold, denn der Supermarkt hatte gestern nachmittag geschlossen. So waren wir gezwungen nach Playa de Santiago zu fahren, um uns für die nächsten Tage zu verproviantieren. Dort gibt es einen Schreibwarenladen. Nach Kaffee und leckerem Kuchen beim Bäcker durchsuchen wir solange den Schreibwarenladen, bis wir endlich eine Wanderkarte finden. Als erfreulichen Seiteneffekt haben wir nun auch für die nächsten Tage Kuchen und Fisch.

Heute morgen rüsten wir uns dann mit Keksen, Bananen und reichlich Wasser für unsere Wanderung aus. Mit dem Auto fahren wir bis Quise. Von dort aus sind es bis Cantera „nur“ noch 500 Höhenmeter. Das erste Stück verläuft als sanfter Abstieg bis wir das Gefühl haben, gleich müsste es senkrecht eine Leiter hinunter zum Strand gehen. Ab dort geht es dann steil in Serpentinen in die Schlucht hinunter. Der Weg ist recht gut gepflegt. Auf dem Schild am Beginn stand, dass dies für die Angestellten der Fischfabrik der Weg zur Arbeit war. Hoffentlich gab es unten Übernachtungsmöglichkeiten, so dass sie den nicht täglich gehen mussten!

Unten steht ein Schild: „Privateigentum“ und ein zweites Schild, das uns den Weg zum Strand weist. Offensichtlich hat sich jemand in den Ruinen der Fischfabrik häuslich eingerichtet. Aber ist solch ein Schild für einen Aussteiger nicht viel zu spießig?

In der Fabrik stehen noch alle Maschinen. Leere Dosen stehen herum und die Deckel bilden auf dem Fußboden ein Muster. Wir fühlen uns wie im Industriemuseum, selbst die Riemenantriebe und der Dieselmotor zum Antrieb sind noch dort. Dazwischen immer wieder Anzeichen von Bewohnern: Kerzen, Feldbetten, Öllampen, Kartoffeln, Vorhänge, schließlich sogar ein kleines Büro mit ungeöffneten Briefen unter einem Stein vom Strand. Vor uns ist schon ein Paar hinabgewandert. Sie hatten sogar zwei Strandliegen gefunden und es sich darauf bequem gemacht. Große Tonnen stehen hinter den Gebäuden, vermutlich als Trinkwasserspeicher. Der ursprüngliche gemauerte Wasserspeicher im Tal ist leer.

Die folgenden Fotos zeigen unseren Weg und die alte Fischfabrik, beziehungsweise was davon nach über 70 Jahren noch übrig ist:

 

Gomera in Sepia

Heute gegen Mittag beschließen wir, doch noch aktiv zu werden. Uns lockt schon seit Tagen der Montana del Clavario, auf den wir die ganze Zeit schauen. Izik hatte mir am ersten Tag erzählt, dass man drum herum wandern könne und unterwegs verlassene Hütten finden würde.

Wir laufen also durch den Ort auf den Berg zu und biegen nach rechts auf einen Wanderweg ab. Dieser führt zu etwa einem Drittel um den Berg herum und biegt dann nach rechts ins nächste Tal ab. Also verlassen wir den Weg und folgen ausgetretenen Pfaden querfeldein. Dabei finden wir Unmengen an braunen Glasflaschen. Dann neigt sich das Gelände wieder steil bergab in das nächste Tal hinein. Wir klettern am Hang entlang bis es uns zu steil wird, also gehen wir ein Stück zurück und rasten im Schatten einer Dattelpalme, die  zu einem verlassenen Hof gehört. Es ist unglaublich still. Kein Vogel ist zu hören, kein Auto, kein Hund nur der Wind rauscht gelegentlich in den Palmen. Wir genießen den Blick über das Tal und beschließen umzukehren. Statt jedoch den gleichen Weg zu nehmen, klettern wir ein Stückchen höher und finden dort oben wieder einen neuen Pfad, der deutlich weniger atemberaubend doch noch durch einen Pass im nächsten Bergrücken führt. Auf der anderen Seite folgen wir ausgetretenen Ziegenpfaden und entdecken noch eine verlassene Hütte. Die Tür ist sorgfältig verschlossen mit einem Vorhängeschloss. Durch die Ritze kann man noch ein paar Gegenstände erspähen, aber das Dach ist an einer Stelle längst eingebrochen. Ob die Besitzer wohl vorhatten wieder zu kommen?

Da sich die ganze Wanderung sehr sepia anfühlte, hier die Bilder auch in Sepia:

 

Wanderung im Suppenwald

Der Wind ist heute immer noch kräftig, aber wir haben dem Lorbeerwald noch keinen richtigen Besuch abgestattet. Deshalb suchen wir uns einen Wanderweg, der auf der windgeschützten Seite der Insel liegt. In Arure parken wir das Auto und machen uns durch Palmen, aus denen Palmhonig gewonnen wird und Plantagen an den Aufstieg. Weiter oben sind die Felder schon vor langer Zeit aufgegeben worden und von hoher Baumheide und anderen Sträuchern überwuchert. Am Eingang zum Nationalpark beginnt auch der Wald. Es ist schummerig. Die Bäume sind bewachsen. Als wir an den Blättern eines Lorbeerbaums reiben, müssen wir plötzlich an Suppe denken. Wir folgen einer Route aus unserem Reiseführer. Diese ist jedoch kein offizieller Wanderweg und so müssen wir uns stellenweise durch dichte Farne und umgestürzte Bäume schlagen. Auf dem Rückweg stellt sich uns eine kleine Schaffamilie in den Weg. Der Schafbock senkt den Kopf zum Angriff, als wir an ihnen vorbei wollen, also beginnen wir mit diplomatischen Gesprächen. Nach einigen Minuten bekommen wir Verstärkung von zwei weiteren Wanderern. Das überzeugt schließlich und wir werden vorbei gelassen. Da es hier oben sehr kalt ist, fahren wir anschließend zum Aufwärmen nach Valle Gran Rey. Abends fegen Sturmböen ums Haus.

Was wollte Columbus auf La Gomera?

Heute ist Markttag in San Sebastian de la Gomera. Das wollen wir nutzen, um uns mit frischem Obst zu versorgen und uns das Columbus-Haus anzuschauen. Zur Abwechslung fahren wir die längere Strecke über Playa de Santiago. Die Straße von Santiago nach San Sebastian führt durch zahlreiche Tunnel. Wir vermuten, dass hier die EU kräftig gesponsert hat, denn schließlich ist dies die Straße von der Hauptstadt der Insel (ca. 2000 Einwohner) zum Flughafen (bei der letzten Vorbeifahrt sahen wir zwei sehr kleine Flugzeuge).

El Cabrito – die verlassenen Getreidefelder

Unterwegs haben wir von der Straße einen guten Blick auf die Berghänge, an denen früher Gerste und Weizen angebaut wurde. Wie an vielen Stellen, liegen auch diese terrassierten Felder brach. Die ehemaligen Bauern sind größtenteils nach Kuba, Venezuela aber auch Teneriffa emigriert. Bei der mühsamen Landwirtschaft hier, ist ihnen dieses nicht zu verdenken. Ihre Nachkommen kehren teilweise nach La Gomera zurück. So behauptet unser Reiseführer, dass besonders in Alajero, wo wir wohnen, viele von Ihnen Häuser gebaut hätten. Auch die lateinamerikanisch angehauchte Musik der örtlichen Radiostation sei darauf zurück zu führen.

Auch Columbus nahm möglicherweise hier Getreide an Bord. Da er von August bis September hier in der Gegend war, dürfte es gerade reif gewesen sein. Sicher ist zumindest, dass er am 6. September (nach dem julianischen Kalender) von hier aus in See stach und erst 33 Tage später vermutlich auf den Bahamas wieder an Land ging.

Modell der Santa Maria im Zollhaus von San Sebastian

Der Reiseführer behauptet, dass es keine plausible Erklärung für seinen langen Aufenthalt auf La Gomera gäbe und dass er vermutlich in Beatriz de Bobadilla verliebt gewesen sei. Sie war zuvor die Mätresse des spanischen Königs Ferdinand und wurde von seiner Gattin Isabella mit Hernan Peraza verheiratet, dem Herrscher von La Gomera. Sie hätte er bereits 1486 bei seiner Audienz am spanischen Hof kennengelernt. Das mag sicher sein, aber so ganz können wir die Geschichte nicht glauben. Er hatte schließlich Wichtigeres vor. Schließlich hatte er jahrelang darum gekämpft, diese Reise machen zu können.

Nach unseren Obsteinkäufen auf dem Markt und einem Besuch im Zollhaus von San Sebastian, dass einiges an Informationen zu Columbus enthält  (leider nur auf Spanisch), lassen wir uns am Strand nieder und ich beginne nachzulesen. In den Berichten über das Leben von Columbus und in der Abschrift seines Tagebuchs, liest sich das dann schon ganz anders: Es gab Probleme mit dem Ruder und der Dichtigkeit der Pinta. Eigentlich wollte er das Schiff auf den Kanaren zurücklassen und ein anderes Schiff kaufen, aber er ließ es dann auf Gran Canaria reparieren. Demnach war zwar seine Flotte auf La Gomera, er selbst aber bis zum 2. September auf Gran Canaria und damit insgesamt nur vier Tage auf La Gomera. Das erscheint nicht übertrieben lang, angesichts der Reise, die er vorhatte. Da scheint wohl eher die Eitelkeit der Gomeros die Urheberin der Geschichte zu sein…

Der Brunnen mit dessen Wasser angeblich Amerika getauft wurde

Im Zollhaus ist auch ein Brunnen zu finden, mit einem Schild daneben, dass mit diesem Wasser Amerika getauft wurde. Nun das Wasser darin sieht ziemlich modrig aus, aber allzu viele Brunnen wird es in San Sebastian zu der Zeit sicher nicht gegeben haben. Der Ort war schließlich auch damals ziemlich klein. Insofern ist es sicher nicht ausgeschlossen, dass Columbus von hier auch Trinkwasser mitnahm.

Wir lassen es uns in San Sebastian ansonsten gut gehen, sitzen viel in den Cafés herum, beobachten das Treiben und lassen uns am Strand die Sonne auf den Bauch scheinen. Erst als die Sonne bereits untergeht, machen wir uns auf die Rückreise durch die Berge und durch die Wolken. Zurück im Ferienhaus, frischt der Wind wieder kräftig auf.

Bananen pflücken während der Fahrt verboten

Gestern Abend hatten wir Schwierigkeiten unseren Ofen in Gang zu bekommen. Die Holzstücke waren wohl zu groß und die trockenen Palmzweige, die wir zum Anfeuern nutzen wollten, brannten wohl nicht ausgiebig genug. Der Ofen hat die dumme Angewohnheit, bei geöffneter Klappe ganz jämmerlich in den Raum zu rauchen. So dass wir uns langes Herumgestochere ersparen. Glücklicherweise hat unser Ferienhaus einen offenen Dachstuhl, so zieht der Rauch wenigstens nach oben. Noch ist das Holz im Dachstuhl hell. Wie das wohl in ein paar Jahren aussieht? Nach dem dritten Versuch haben wir aufgegeben. Dann wurde es zu kalt, selbst im Bett war es nicht viel besser.

Es gibt doch Eidechsen auf Gomera – hier ein Exemplar vor unserem Ferienhaus

Gegen halb fünf wachen wir beide von heftigem Getrappel auf dem Dach, nagenden und kratzenden Geräuschen auf. Was das wohl ist? Auch die Nächte zuvor haben wir entsprechende Geräusche gehört, aber so laut war es noch nie. Ich gehe mit der Taschenlampe nach draußen. Auf dem Dach ist nichts so sehen. Ich kann allerdings nur die Vorderseite richtig sehen. Mit der Rückseite steht das Haus am Berghang, so dass ich von hinten nicht heran komme. Lautes Rufen oder Türen knallen hilft auch nicht.

Irgendwann hören die Geräusche auf und wir können wieder einschlafen. Erst gegen neun Uhr wachen wir wieder auf. Die Sonne scheint, aber im Süden sind am Himmel Zirren zu sehen. Auch über uns stehen hohe Schleierwolken. Wir haben den Eindruck, dass der Tagesgang der Bewölkung nicht so einsetzt, wie die Tage zuvor. So genießen wir den Vormittag den Sonnenschein auf der Terrasse. Dann beschließen wir heute die Insel stärker zu erkunden.  Vorher machen wir jedoch noch den Ofen fertig für heute Abend. Ich gebe mir diesmal besonders viel Mühe.

Gefahr heavy Wellengang!

Auf dem Weg halten wir noch am Supermarkt, um ein wenig Proviant zu kaufen. Dort treffe ich Izik und berichte ihm von den Bewohnern im Dach. Er tippt auf Mäuse, aber das glaube ich nicht so recht.

Mit dem Auto fahren wir quer über die Insel an die Nordküste. Der Weg führt wieder durch die sehr grünen Berge. Auf der Nordseite wird deutlich mehr Landwirtschaft betrieben. Die Luft ist auch erheblich feuchter als auf der Südseite und die Flüsschen führen tatsächlich Wasser. Wir stellen das Auto in Santa Catalina am Strand haben. Zum Baden ist das hier nichts. Der Strand ist steinig und sehr steil. Obwohl kaum Wind geht, donnern die Wellen mit lautem Grollen an den Strand.

Bananenplantage

Wir ziehen die Wanderschuhe an und machen einen kurzen Spaziergang zum alten Anleger für die Bananenfrachter, von dem nur noch einige Reste übrig sind. Heute ist er überflüssig, aber damals gab es noch keine Straße aus dem Tal heraus und so waren Hermigua und alle anderen Ortschaften im Tal nur per Schiff erreichbar. Im  ersten Anlauf biegen wir einmal falsch ab und landen in einer Bananenplantage. Die Bäume hängen voll.

Der alte Anleger für die Bananenfrachter

Dann finden wir doch den richtigen Weg und bestaunen die Überreste des alten Anlegers, an dem die Wellen des Atlantik nagen. Dazwischen liegt ein Meerwasserschwimmbecken. Ob es noch offiziell betrieben wird, ist uns nicht klar. Die Anlagen wirken sehr verlassen. Am Strand wird gerade ein neues Bad gebaut. Bei dem heutigen Wetter ist es einigermaßen gefahrlos zu benutzen, aber wie das wohl bei mehr Seegang ist?

Das Meerwasserschwimmbecken mit Santa Catalina im Hintergrund

Benutzt wird es hauptsächlich von vielen kleinen Fischen, die sich darin tummeln. Auch bei schönem Wetter wie heute, ist der Weg um den Beckenrand gefährlich. Da er ständig von Wellen überspült wird, ist er von Algen bewachsen und ungefähr so sicher zu begehen, wie gefrorener Schneematsch.

Das Meerwasserschwimmbecken bei wenig Seegang

Izik hatte uns geraten, Lepe zu besuchen. Mit dem Auto fahren wir das kleine Stück über eine enge steile Straße, an der uns die Bananen fast ins Fenster ragen, in den Ort und haben das Problem, einen Parkplatz zu finden. Der Ort ist zu winzig, um Autoverkehr zu ermöglichen. Wir parken eher etwas provisorisch und machen einen kleinen Rundgang. Außer Bananenstauden entdecken wir Mangobäume, Papayastauden, Sternfruchtbäume und Orangenbäume. Morgen ist Markttag in San Sebastian – hmmh!

Blick in ein Tal zwischen Vallehermoso und Agulo

Von Lepe aus fahren wir den Bogen um die Insel weiter. Die Landschaft ist spektakulär: schroffe Berge und tiefe Schluchten wechseln sich ab. Die Häuser kleben an den Bergen. Die Felder sind mühselig in Terrassen aus dem Berghang gebaut. Gegen halb sechs halten wir nochmal in den Bergen bei Laguna Grande. Wir sind mitten in den Wolken. Es ist kalt. Mit unseren kurzen Hosen, sind wir hierfür völlig falsch gekleidet. Da hilft auch keine Jacke, also fahren wir weiter. Die Wolken scheinen an den Berghängen förmlich zu kochen. Auch in Alajero ist es nun kalt. Wir machen den Ofen an. Diesmal tut er uns wieder den Gefallen und böllert den ganzen Abend freundlich vor sich hin. Draußen hängen weiter die Wolken und es kommt Wind auf, der in der Dattelpalme vor unserer Tür kräftig rauscht.