Archiv der Kategorie: Spanien

Ländlich sittlich

Nach den Erfahrungen der letzten Tage, schauen wir heute mal wieder erst zum Himmel hinauf, bevor wir beschließen, was wir machen wollen. Der Wetterbericht lautet eigentlich immer gleich: 18°C und Wind mit ca. 4Bft aus Nordost, gelegentlich leichte Bewölkung, kein Niederschlag. Was die Insel daraus macht, hängt sehr davon ab, wo man sich befindet: zwischen Sonnenschein und 30°C und dichtem Nebel oder sogar Regen mit 10°C ist alles möglich. Im Auto liegt deshalb nicht nur der Badeanzug, sondern auch die dicke Jacke.

Hier werden die Schafe noch liebevoll mit der Handschere geschoren
Hier werden die Schafe noch liebevoll mit der Handschere geschoren

Heute ist etwas diesig und oben an den Bergspitzen hängen Wolken. Der Sonnenschein reicht sogar für ein Frühstück auf der Terrasse. Wir würden zwar gerne mal die oberen Regionen erkunden, aber auf Kälte haben wir keine Lust, also führt unser Weg bergab. Wir lassen das Auto stehen und haben eigentlich vor, der Empfehlung aus einem Wanderführer zu folgen und Richtung Restinga auf dem Wanderweg EH1 den halben Berg herunter zu laufen und uns dann quer durch zum Wanderweg EH1.1 zu schlagen und den halben Berg anschließend auf dem anderen Weg wieder hoch zu laufen.

Diese hübsche junge Stute wird arg von den Fliegen gepiesackt. Wo reitet man solch ein Tier hier? Ein Esel wäre doch viel praktischer - oder?
Diese hübsche junge Stute wird arg von den Fliegen gepiesackt. Wo reitet man solch ein Tier hier? Ein Esel wäre doch viel praktischer – oder?

Wir machen uns auf den Weg. Außer der Kamera packe ich nur das Allernötigste ein, auch der Badeanzug bleibt zu Hause. Der Weg führt durch El Pinar und die angrenzenden Gärten. Wir treffen einen Ziegenhirten, der seine Ziegen in einem Weinberg grasen lässt. Ihre Euter (nennt man das bei Ziegen auch so?) hängen fast bis zum Boden. Ich habe schon viele Ziegen gesehen, aber das habe ich so noch nie gesehen. Ich hatte gelesen, dass es hier noch viele alte spezielle Sorten an Obst und Gemüse gibt, weil fast jeder noch seinen eigenen Nutzgarten bewirtschaftet und eine industrielle Landwirtschaft aufgrund des Geländes nicht möglich ist. Die abgelegene Lage der Insel führt auch dazu, dass die Menschen hier versuchen, Selbstversorger zu sein. Gibt es hier etwa auch spezielle Ziegenrassen?

Schöne Distel am Wegesrand
Schöne Distel am Wegesrand

Auf halber Strecke haben wir wenig Lust, den Berg wieder hoch zu laufen und gehen einfach weiter bis Restinga. Im Hafen befindet sich ein schöner Strand – nur blöd, dass der Badeanzug im Auto geblieben ist, denn ohne geht hier gar nicht! Nachdem wir ein schönes Picknick im Schatten gemacht haben und die Füße im Wasser gekühlt haben, machen wir uns auf die Suche nach einer Transportmöglichkeit zurück nach El Pinar auf unsere Höhe von etwa 850m. Wir haben Glück, es fährt noch ein Bus.

Die Technische Abteilung von Endesa tauscht kurz vor Restinga einen Hochspannungsmast aus. Währenddessen hängt das komplette Dorf an einem brummenden Notstromaggregat.
Die Technische Abteilung von Endesa tauscht kurz vor Restinga einen Hochspannungsmast aus. Währenddessen hängt das komplette Dorf an einem brummenden Notstromaggregat.

Zu Hause warten noch Reste von gestern auf uns zum Abendessen. Wir hatten eine dieser gigantischen Kartoffeln gekauft, die es hier überall gibt. Sie stellte sich dann als sehr leckere Süßkartoffel heraus, von der wir locker eine vierköpfige Familie satt bekommen hätten. Ist wahrscheinlich auch eine der hiesigen Spezialitäten.

Tatsächlich ein Strand

Die ehemalige Straße nach Las Playas dient jetzt nur noch als Wanderweg
Die ehemalige Straße nach Las Playas dient jetzt nur noch als Wanderweg

Wir arbeiten uns so langsam um die Insel herum und haben heute tatsächlich ein Stück Strand gefunden. Es heißt auch so, Las Playas. An der SO-Seite von El Hierro gibt es wieder einen Bereich, wo ein Hang ins Meer gerutscht ist. Die Erdmassen waren etwas lockerer, so dass sich daraus ein etwas grober Lavastrand gebildet hat.

El Hierros einzige Ampel
El Hierros einzige Ampel

An diesem Strand befindet sich dann auch das beste Hotel der Insel, das Parador El Hierro. Die Zufahrt ist aber eine ziemlich lange Sackgasse und führt durch einen einspurigen Tunnel, in dem durch El Hierros einzige Ampel die Begegnung von Fahrzeugen verhindert wird.

Rocke de la Bonanza
Rocke de la Bonanza

Am Tunnel gibt es eine Felsformation, die Rocke de la Bonanza genannt wird. Wenn man sich ein wenig anstrengt, soll man darin einen Löwen und einen Bären beim Kämpfen sehen können. Wir sehen darin eher einen Pavian und ein Eichhörnchen ohne Schwanz. Nun gut, so hat jeder seine eigene Phantasie. Wir gehen jedenfalls dort in einem kleinen Felspool baden.

Felsformation vor Tamaduste
Felsformation vor Tamaduste

Auf dem Weg zurück machen wir noch einen Schlenker über Tamaduste. Dieser Ort ist nun außerhalb der Touristensaison ziemlich verschlafen. Es gibt dort aber einen Wanderweg an einer dramatisch zerklüfteten und rabenschwarzen Küste. Das müssen wir uns auf jeden Fall noch einmal genauer anschauen.

Faro de Orchilla und Meridiano Cero

Im Pinienwald treffen wir mal wieder auf den Schäfer mit seiner Schafherde
Im Pinienwald treffen wir mal wieder auf den Schäfer mit seiner Schafherde

Als alte Seebären kommen wir natürlich nicht am westlichsten Punkt Spaniens vorbei, an dem es auch ein ‚Monumento Meridiano Cero‘ gibt. Dies ist natürlich nicht der Nullmeridian, den wir aus Greenwich kennen, sondern ein von Claudius Ptolomaeus ebenfalls willkürlich festgelegter westlichster Punkt der in der Antike bekannten Welt.

Atemberaubender Blick von der Straße auf El Julan. Auch hier ist vor ca. 160000 Jahren der Berg ins Meer abgerutscht
Atemberaubender Blick von der Straße auf El Julan. Auch hier ist vor ca. 160000 Jahren der Berg ins Meer abgerutscht

Die Position des Leuchturmes ‚Faro de Orchilla‘, der ganz in der Nähe steht, ist nach heutiger Festlegung 27° 42′ 24“N und 18° 08′ 50“W. Laut Seekarte ist es vor dem Leuchtturm gleich sehr tief und wir können sehen, dass der Seegang dort sehr ruhig läuft, obwohl der Wind kräftig weht.

Faro de Orchilla
Faro de Orchilla

Die Gegend um den Leuchtturm ist ein schroffes Lavafeld mit wenig Vegetation und einigen Wanderwegen. Es führt auch ein Weg zu einer alten kleinen Mole ins Mar de las Calmas. Von hier sollen sich viele Inselbewohner nach Amerika eingeschifft haben. Über die Mole wurde auch das Baumaterial für die Errichtung des Leuchtturmes angelandet.

Vulkankrater bei Orchilla
Vulkankrater bei Orchilla

In den letzten Abendstunden fahren wir von hier aus noch um die NW-liche Spitze in die El Golfo Bucht. Am Beginn der Straße steht ein Schild, dass sie von 18:30 bis 7:30 gesperrt ist. Als wir sie befahren, ist uns klar warum. Sie geht teilweise einspurig auf steilen schwarzen Lavahängen bzw. -graten und hat keinerlei Seitenbegrenzung. Die Policia Local hat offensichtlich keine Lust hier ständig Unfallfahrzeuge abzubergen.

Pozo de la Salud
Pozo de la Salud

An der Südspitze des El Golfo gibt es einen interessanten Ort, den ‚Pozo de la Salud‘. Hier gibt es einen Brunnen, dem heilende Wirkung zugeschrieben wird. Also haben wir es mit „Bad El Golfo“ zu tun. Über uns am Steilhang drehen einige Gleitschirme ihre Runden und machen teilweise atemberaubende Kunststücke.

Von beinahe Ausgestorbenen

Der Weg ins El Golfo Tal führt über den Bergkamm mit deutlich über 1000m Höhe. Hier fangen sich die Wolken und es ist oft neblig.
Der Weg ins El Golfo Tal führt über den Bergkamm mit deutlich über 1000m Höhe. Hier fangen sich die Wolken und es ist oft neblig.

Heute konnten wir einige Spezies bewundern, die man eigentlich für ausgestorben hielt. Aber am besten der Reihe nach:

Blick von der Passstraße in das El Golfo Tal. Hier rutschte vor etwa 130000 Jahren ein Teil des Berges ins Meer. Vermutlich verursachte er eine ca. 10m hohe Tsunamiwelle.
Blick von der Passstraße in das El Golfo Tal. Hier rutschte vor etwa 130000 Jahren ein Teil des Berges ins Meer. Vermutlich verursachte er eine ca. 10m hohe Tsunamiwelle.

Bereits auf der Fähre wurde uns der Sonntagsmarkt in Tigaday empfohlen und überhaupt machte es den Eindruck, dass hier auf der Insel jeder jeden kennt. Nun ja, stimmt wohl auch, wenn man nur die deutsche Enklave der Aussteiger nimmt und die trifft sich am Sonntag in Tigaday auf dem ‚deutschen Märktchen‘. Auf uns machte diese Gruppe den Eindruck einer vom Aussterben bedrohten Art. Wir schauen uns die angebotenen Waren an und kaufen artig ein deutsches Dinkelbrot, das mit echtem Sauerteig gebacken wurde. Dann sehen wir zu, dass wir weg kommen, um nicht depressiv zu werden.

– Nun denn, noch nicht ausgestorben –

In der Höhle müssen wir uns alle Schutzhelme aufsetzen.
In der Höhle müssen wir uns alle Schutzhelme aufsetzen.

Nächste Station ist das ‚Ecomuseo de Guinea‘. Hier gibt es zunächst eine Lava-Höhle zu bewundern. Wie wir bereits vor einigen Jahren auf Hawaii gelernt haben, erkaltet die Lava beim Abfließen an der Oberfläche, aber im Kern ist sie immer noch flüssig und nach Ende des Ausflusses bilden sich lange Röhren. In diesem Fall war später durch die Röhren Wasser mit Sedimenten geflossen und hat sie teilweise verfüllt. Übrig geblieben sind einzelne Höhlen. Eine war, der Legende nach, im 17. Jahrhundert eingestürzt, da ein Mann darüber am heiligen Sonntag arbeitete. Dies wurde natürlich sofort mit Blitz, Donner und Tod durch Einsturz der Höhle – oder war es die Hölle(?) –  bestraft.

– Tja, ausgestorben –

Die großen Echsen sehen aus wie überreife Bananen. Ihre noch größeren Verwandten, die 0,75m lang werden konnten, sind tatsächlich ausgestorben
Die großen Echsen sehen aus wie überreife Bananen. Ihre noch größeren Verwandten, die 0,75m lang werden konnten, sind tatsächlich ausgestorben

Eine zweite Höhle daneben war 1998 gefunden worden, als man oben mit schwerem Gerät arbeitete und einsackte. Darauf wurde die Höhle als Touristenattraktion hergerichtet und mit der Eingestürzten per Tunnel verbunden. Die Lavatunnel auf Hawaii haben uns mehr beeindruckt.

Restauriertes Haus im Museumsdorf
Restauriertes Haus im Museumsdorf

Auf dem Gelände des Ecomuseo befindet sich auch die Aufzuchtstation für die Lagarto Gigante. Diese Echsenart galt bis in die 1970er Jahre als ausgestorben, bis ein Ziegenhirte eine kleine Gruppe am Hang oberhalb von La Frontera entdeckte. Die Tiere wurden eingefangen und einer intensiven Zucht unterzogen, um die Population wieder zu erhöhen. Dabei stellte sich heraus, warum die Ecksen beinahe ausgestorben sind: Die Weibchen legen nur einmal pro Jahr maximal 13 Eier, oft deutlich weniger.

Bananenplantage im El Golfo Tal
Bananenplantage im El Golfo Tal

Diese Eier werden durch die Umgebungstemperatur ausgebrütet, die konstant bei 28°C liegen muss. Ist sie zu niedrig,  sterben alle Eier ab. Es gibt auch eine Infektionskrankheit, die die Eier befallen kann und dann alle Eier abtötet. Die Gelege sind in etwa 1,5m Tiefe. Der Zugang, den das Weibchen gegraben hat, ist meist schon wieder verschwunden. Die Jungen müssen sich also ihren Weg selbst nach oben graben. Liegen dort große Steine im Weg, ist es ebenfalls vorbei. Schafft es nun doch ein Junges nach oben, ist es in Gefahr, von einem Falken gefressen zu werden. Es muss mindestens 5 Jahre durchhalten, bis es selbst geschlechtsreif wird. Die Altkanarier, die Bimbachen, fanden die großen Echsen schmackhaft.

Künstliche Pools von La Maceta
Künstliche Pools von La Maceta

Diese Auslese hat solange gut funktioniert, bis die Spanier mit Ratten und Katzen auf die Insel kam. Die Ratten gingen  auf die Eier los. Die Katzen gingen auf die jungen und heranwachsenden Echsen los. Gegen diese Art der Bejagung konnten die Echsen nicht standhalten. Glücklicherweise hat man den Fehler in den 1970er Jahren erkannt und die Tiere nicht gleich in die Küche gebracht sondern in eine Aufzuchtstation.

– Glück gehabt, beinahe ausgestorben –

Den Ziegen schmeckt das frische Grün. Auch sie sind mit Schuld am Aussterben der Echsen, die selbst gern das Grünzeug gefressen haben
Den Ziegen schmeckt das frische Grün. Auch sie sind mit Schuld am Aussterben der Echsen, die selbst gern das Grünzeug gefressen haben

Als dritte Attraktion gibt es auf dem Gelände des Ecomuseo das teilweise wieder aufgebaute Dorf Guinea. In diesem lebten die Bimbaches, erst unterirdisch in den Höhlen dann oberirdisch in den Hütten. In wie weit die Hütten und deren Einrichtung authentisch sind erscheint uns eher zweifelhaft. Es macht uns den Eindruck einer Disney-Installation, wie sich ‚pequeno Felipe‘ die Behausungen vorstellt.

– Tja, zwar wohl nicht ausgestorben, aber in der übrigen Bevölkerung aufgegangen –

An der Küste bei Las Puntas
An der Küste bei Las Puntas

Nach so viel ‚Aussterben‘ war uns erst einmal wieder nach einer ordentlichen Wanderung, am besten zum Wasser. Auf dem Weg dorthin kommen wir noch einmal an den Fincas der aussterbenden Art mit ihren ökologisch (?) gezogenen Mangos, Papayas und Ananas vorbei. Man kann sich lebhaft vorstellen, warum der Nachwuchs darauf und auf diese Gegend keine Lust hat.

Das Hotel Puntagrande soll mal das kleinste Hotel der Welt gewesen sein. Auf jeden Fall sieht es aus wie ein Schiff, was bald ablegt.
Das Hotel Puntagrande soll mal das kleinste Hotel der Welt gewesen sein. Auf jeden Fall sieht es aus wie ein Schiff, was bald ablegt.

An der Küste von El Golfo wieder das gleiche Bild wie gestern. Sie fällt steil ab und die See tost vor ihr. Die Szene ist atemberaubend und auch der Nieselregen, der zeitweilig auf uns nieder geht, stört uns nicht. An wenigen Stellen gibt es Pools, künstlich und natürlich, die durch den Seegang mit Wasser gefüllt werden und in denen man baden kann. Uns ist es heute zu kalt, aber merken!

Baden auf El Hierro

Schwarze Lavaklippen bei Tacoron
Schwarze Lavaklippen bei Tacoron

Dass man auf El Hierro gut tauchen kann, haben wir ja bereits gelernt. Nun hatten wir gedacht, hier auch ein wenig zu baden – also ab zum Strand.

Moment – Wo gibt es hier Strand?

Da El Hierro vulkanischen Ursprung und noch sehr jung ist, fällt die Küste fast überall steil zum Atlantik ab. Zudem treibt der NO-Passat den Seegang auf die Insel.

Die Lavaklippen können außer schwarz auch rot oder grau sein
Die Lavaklippen können außer schwarz auch rot oder grau sein

Im Reiseführer wird auf die SW-Seite mit dem verheißungsvollen Namen ‚Mar de las Calmas‘ verwiesen.  Allerdings gibt es nur eine Zufahrt zum ‚Caja de Tacoron‘, da auch hier das Land steil zur  See abfällt. Als wir dort ankommen, sehen wir auch hier die See auf eine zerklüftete Lavaküste laufen. Der Strand wäre nur über eine waghalsige Klettertour zu erreichen. Dafür kann man sich an der See erfreuen.

Die Gischt erfreut uns mit Regenbögen
Die Gischt erfreut uns mit Regenbögen

An einer Stelle klettern wir dann über rundgeschliffenen Basalt zum Wasser und lassen uns von einigen Wellen nass spritzen.

Kanarische Eidechsen fressen Obst und Gemüse und werden deshalb von den Landwirten bekämpft
Kanarische Eidechsen fressen Obst und Gemüse und werden deshalb von den Landwirten bekämpft

Nach dem Badevergnügen nutzen wir eine Picknickstelle. An dieser Stelle sind, unter einem Sonnenschutz, Holzbänke und Steingrille aufgestellt. Diese Stelle ist auch Heimat für eine Großfamilie Kanarischer Eidechsen. Eigentlich dachten wir, dass Eidechsen sich vornehmlich von Insekten ernähren, aber wir müssen feststellen, dass diese hier auch ganz besonders an Apfelresten interessiert sind und wenig Scheu vor uns besitzen. Dadurch entstehen eine Menge schöner Eidechsen Portraits.