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Geisterstädte gestern, heute und morgen

Gestern abend war es schon sehr mild und auch heute morgen ist es mild. Wir haben die Uhren um eine Stunde zurückgestellt. Nur die innere Uhr macht natürlich nicht mit und so wache ich pünktlich um halb acht nach Arizona-Zeit auf. Gestern waren wir nach unserem Frühstück so satt gewesen, dass wir den restlichen Tag außer einem Eis und ein paar salzigen Snacks nichts mehr gegessen haben. Deshalb haben wir heute morgen auch keine große Lust auf ein großes Frühstück.

Briefkästen am Bahnübergang in Goffs
Briefkästen am Bahnübergang in Goffs

Das Zimmer hat eine Mikrowelle. Ich kaufe nebenan im Liquor-Store eine Packung Teebeutel. So frühstücken wir mit Kuchen, Tee und Banane. Nebenher suche ich mit dem Kindle nach einem geeigneten Reiseführer. Wir haben alle gedruckten Reiseführer zu Hause gelassen. Sie sind uns mittlerweile zu schwer zum Mitnehmen und eigentlich auch zu alt. In Arizona sind wir mit Reiseführern aus dem Kindle-Store sehr gut klargekommen, aber die waren auch nur für Arizona.

Zwei Züge mit je 4 Lokomotiven begegnen sich am Bahnübergang von Goffs
Zwei Züge mit je 4 Lokomotiven begegnen sich am Bahnübergang von Goffs

Ich finde auch einen für die Route 66 und lade ihn herunter, denn wir wollen weiter auf der Route 66 nach Westen. Dazu müssen wir wieder ein Stück auf die Interstate 40, dann auf den Highway 95 und dann an einer unscheinbaren Abzweigung auf die Route 66. Schon diese Abzweigung hätten wir ohne Reiseführer wahrscheinlich übersehen. Auf der Route 66 waren wir bislang nicht so sehr viel langsamer als auf der Interstate und es war definitiv nicht langweilig, was es sonst bei langen Wüstentouren schnell werden kann.

Wüsten-Graffiti
Wüsten-Graffiti

Unseren ersten Zwischenstopp legen wir in Goffs ein. Die Schranke am Bahnübergang ist runter. Das Café neben dem Übergang ist ein Trümmerhaufen. Als die Schranke wieder hochgeht, hält ein Mann mit seinem Auto an, als er mich mit der Kamera sieht. Er fragt, ob ich schon in Goffs war. Das soll ich mir unbedingt ansehen und auch das Bagdad Café hinter Ludlow. Das wäre nämlich das wahre Bagdad Café, wo der Film gedreht wurde. Alle würden sagen, die Route 66 wäre in Ludlow zu Ende. Das wäre aber nicht wahr. Ich bedanke mich freundlich und wir halten brav in Goffs am Schulhaus. Hier hat jemand alles Mögliche an alten Dingen zusammengetragen, aber das Gelände ist leider abgeschlossen und so fahren wir weiter.

Geister-Tankstelle
Geister-Tankstelle

Entlang der Straße verläuft ein kleiner Damm, denn Leute genutzt haben, um aus Steinen Buchstaben und Wörter zu legen. Das geht kilomerterlang so entlang der Straße. Den Ort Bagdad genauso wie den Ort Klondike finden wir nicht, auch wenn sie als Orte in der Karte eingezeichnet sind. Es gibt kein Ortsschild, keine Gebäude, noch nicht mal Ruinen. Im Reiseführer steht ganz lapidar, dass auf Luftaufnahmen noch Strukturen ehemaliger Besiedlung zu erkennen seien. Das ist wohl schon lange her, dass Bagdad mal eine Geisterstadt war.

Einschussloch hinter meinem Rücken im Café in Ludlow
Einschussloch hinter meinem Rücken im Café in Ludlow

In Ludlow bekommen wir langsam Hunger. Ludlow selber besteht nur noch aus Ruinen, aber es gibt eine Abfahrt von der Interstate samt Tankstelle und Café. Hier war ursprünglich mal eine Wasserversorgung für die Dampflokomotiven, dann hat man Gold entdeckt und es wurde eine Goldgräberstadt. Unterwegs hatten wir einen umgekippten Zug mit Autowaggons gesehen, denn Arbeiter mit einem Bagger gerade in seine Einzlteile zerlegten Wir fragen danach. Die Inhaberin weiß davon nichts, berichtet aber, dass vor Kurzem ganz in der Nähe zwei Züge zusammengestoßen seien.

Pisgah Crater neben der Route 66
Pisgah Crater neben der Route 66

Hinter Ludlow verläuft die Route 66 sehr dicht an der Interstate und der Zustand der Straße wird deutlich schlechter. In Newberry Springs finden wir dann auch das Bagdad Café. Als ich die Bedienung sehe, habe ich eigentlich keine Lust was zu essen. Wir trinken einen Kaffee und essen dann doch etwas Eis und Kuchen zum Nachtisch dazu. Uns wird sofort das Gästebuch herbeigeschleppt, wo wir uns verewigen müssen und man besteht darauf, dass wir uns hinter dem Tresen fotografieren lassen, bevor wir wieder gehen dürfen.

Im Bagdad Café
Im Bagdad Café

Die Bedienung beschwert sich, dass es so schrecklich kalt sei. Es sind angenehme 20°C und wir sind im T-Shirt unterwegs. Ja, aber es sei doch so windig. Das stimmt allerdings. Unterwegs haben wir einen Sandsturm im Tal südlich von der Strecke gesehen. Außerdem sei das Wetter so unvorhersagbar. Ich glaub, der war noch nie in Deutschland…

Alter Wohnwagen hinter dem Bagdad Café
Alter Wohnwagen hinter dem Bagdad Café

Kurz vor Barstow machen wir noch einen Abstecher zur Geisterstadt Calico. Was wir unterwegs an Besiedlung sehen ist von dem Zustand „Geisterstadt“ auch kaum zu unterscheiden. Calico selbst ist dann eher eine Touristenfalle als eine Geisterstadt. Hier wurde mal Silber und Borax abgebaut. Die Minen sind zu sehen und auch teilweise zu besichtigen.

Kleine Hütte in Calico
Kleine Hütte in Calico

Es gibt viele Holzhäuser im alten Stil, aber vor dem Wiederaufbau hätte sie vielleicht doch mal einen Denkmalpfleger kontaktieren sollen, denn die Schichtplatten gab es so sicherlich damals nicht. Auch die Klimaanlagen erinnern nicht gerade an eine Geisterstadt aus dem 19. Jahrhundert. Nicht nur, dass die Stadt selbst Eintritt kostet, auch jede sonstige Attraktion kostet noch einmal extra. Der Busladung asiatischer Touristen scheint es zu gefallen. Wir flüchten, tanken nochmal voll und verlassen nun die Route 66.

Windpark bei Mojave
Windpark bei Mojave

Auf dem Highway 58 haben wir nun noch eine gute Tagesreise bis nach Creston vor uns. In Mojave in den Bergen treffen wir nach sechs Tagen zum ersten Mal auf einen Windpark. Er ist schon ziemlich alt. Viele kleine Windräder stehen sehr dicht beieinander. Aber dazwischen stehen auch schon etliche große moderne Windkraftanlagen. Kurze Zeit später sehen wir Dunst. Wir rollen nun hinab Richtung Bakersfield und plötzlich ist die Mojave-Wüste vorbei. Schlagartig haben wir den Eindruck in dem Kalifornien zu sein, dass wir kennen. Wir überholen einen LkW mit Zitrusfrüchten. Obst und Gemüse haben mir die letzten Tage am meisten gefehlt. Darauf freue ich mich schon. Dann kommen auch schon die ersten Obstplantagen links und rechts.

Aaaaah - Kalifornien :-)
Aaaaah – Kalifornien 🙂

In Bakersfield suchen wir uns ein Hotel in der Innenstadt. Es ist sehr ordentlich, aber leider haben wir übersehen, dass es sehr dicht an der Bahnstrecke ist. Und wenn mal kein Zug fährt und kein Auto, dann lärmt immer noch die Klimaanlage auch in ausgeschaltetem Zustand. Das als Kingsize angepriesene Bett hat noch nicht mal Queen-Size Größe. Dafür sind wir in der Innenstadt und gehen bei einem Chinesen essen. Das hätten wir weiter draußen in einem Motel sicher nicht gekonnt.

Auf der Route 66 nach Kalifornien

Heute morgen frühstücken wir ein wenig von unserem Kuchen und trinken jeder einen Becher Wasser als erstes Frühstück. Als ich die Becher aus dem Auto hole, ist das Dach weiß gefroren und auf dem restlichen Wasser in unseren Bechern ist eine Eisschicht.

Der Friseursalon in Ash Fork hat noch geschlossen udn so fahren wir ohne Elvis-Tolle weiter
Der Friseursalon in Ash Fork hat noch geschlossen udn so fahren wir ohne Elvis-Tolle weiter

Danach wollen wir auf der Route 66 nach Seligman, aber die erste Frage ist, wo geht es eigentlich lang? Die Straße scheint in eine Schotterpiste zu münden. Wir besuchen kurzerhand die Touristeninformation. Man schenkt uns einen Route 66 Pass und drückt einen Stempel hinein. Irgendwie scheinen sie zu erwarten, dass wir den jetzt brav füllen. Ich frage vorsichtig, ob es ratsam ist mit einem normalen Auto die Route 66 zu befahren. Oh ja, sagt sie, der Zustand sei sogar besser als der von der Interstate. Als wir dann weiter fragen stellt sich heraus, dass es nur hier die Route 66 gar nicht mehr gibt, sondern wir erst einmal auf die parallel verlaufene Interstate 40 müssen und dann 5 Meilen weiter an der nächsten Ausfahrt wieder runter.

Lilo's Café in Seligman
Lilo’s Café in Seligman

So machen wir das und suchen in Seligman nach dem so hoch gelobten Café. Wir finden erst einmal nichts und fragen in einem kleinen Laden. Wir müssen noch eine Meile weiter und auch er betont, wie gut das Frühstück sei. Schließlich finden wir Lilo‘s Café. Es weht neben der amerikanischen Flagge eine deutsche Flagge und über der Eingangstür hängt sogar eine mit Bundesadler drauf. Wo sie die wohl her haben? Innen gibt es sogar einen Stammtisch und es hängen viele deutsche Autokennzeichen an der Wand. Das Frühstück ist gut und reichlich. Das reicht für den Rest des Tages. WLAN gibt es wie fast überall auch, nur gestern abend im Motel war es so schwachbrüstig, dass es noch nicht einmal zum Einloggen reichte. Beim Bezahlen frage ich nach ihren deutschen Verbindungen und erfahre, dass die Inhaberin aus Wiesbaden stammt. Das erklärt auch den Besuch des Wiesbadener Bürgermeisters, der sich im Gang zum Klo verewigt hat und die Flagge über der Tür. Ich kaufe noch eine Straßenkarte für Kalifornien.

Oldtimer vor Hackberry's General Store
Oldtimer vor Hackberry’s General Store

Anschließend fahren wir durch eine Prärielandschaft weiter bis Hackberry, wo wir am General Store halten. Vor der Tür stehen jede Menge Oldtimer in verschiedenen Erhaltungs- bzw. Zerfallszuständen. Neben alten Autos scheint der Inhaber auch alte Zapfsäulen zu sammeln. Im Laden geht es ähnlich skurril weiter. Wir trinken einen Kaffee und gehen über die Straße und eine Schotterpiste entlang zur Bahnstrecke. Hier fahren parallel zur Route 66 endlos lange Züge mit bis zu 4 Lokomotiven und jeweils zwei übereinander gestapelten Containern auf den Waggons. Mal sehen, ob wir ein paar Fotos schießen können. Aus Richtung Osten kommt tatsächlich ein Zug. Gefühlt kommt alle 10 – 15 Minuten ein Zug vorbei.

Malzbier im Diner in Kingman
Malzbier im Diner in Kingman

Unseren nächsten Stopp legen wir in Kingman ein, um das berühmte Malzbier in Mr D‘z Diner zu probieren. Der Laden sieht aus als wären wir mitten in den 50/60er Jahren gelandet. Das Malzbier schmeckt gut. Wir breiten die Landkarte aus und planen den nächsten Abschnitt. Dann geht es weiter durch ein weites Tal mit vielen verstreuten Mobile Homes und dann in vielen kleinen Kurven hinauf in die Black Mountains.

Frei herumalufende Esel die nächsten 8 Meilen
Frei herumalufende Esel die nächsten 8 Meilen

Ein Schild warnt vor frei herumlaufenden Eseln. Die Berge sind vulkanischen Ursprungs und hier wurde viel Gold abgebaut. Der kleine Ort Oatman hat mit seinem Goldabbau laut einem Schild angeblich den ersten Weltkrieg für die USA finanziert. Als sich der Goldabbau nicht mehr lohnte, hat man die vorher genutzten Esel frei gelassen. Diese laufen hier nun als Touristenattraktion frei herum. Oatman verschafft das jedenfalls so viel Aufmerksamkeit, dass hier etliche Andenkenläden und Eiscafés davon existieren können.

Esel in Oatman
Esel in Oatman

Einzige weitere Attraktion ist ein Hotel aus dem Jahr 1902 in dem Clark Gable und seine Angetraute ihre Hochzeitsnacht verbracht haben sollen. Das einzige was ich mich frage ist, wie schafft man es nach der Hochzeit in Kingman noch über 20 Meilen über eine sehr enge kurvige Straße nach Oatman zu fahren? Vermutlich hatten die beiden einen Fahrer.

Ist er nicht süß?
Ist er nicht süß?

Hinter Oatman fällt das Gelände sanft zum Colorado River ab. Hier müssen die Vulkane kräftig Asche und Geröll ausgespuckt haben. Am Colorado wandelt sich die Landschaft dann noch einmal völlig. Plötzlich ist alles grün. Hier gibt es bestellte Felder, Palmen und der Colorado schlängelt sich durch die Landschaft. Wir überqueren den Fluss und entdecken eine Reihe sehr schöner Häuser am Ufer. Wir drehen noch einmal um. Vielleicht ist ja ein Hotel dabei? Aber die Uferstraßen sind auf beiden Seiten mit großen Toren abgeschlossen. Hier kommen wir nicht rein.

Ob der wohl Eiscreme mag?
Ob der wohl Eiscreme mag?

In Needles auf der kalifornischen Seite suchen wir uns ein Motel. Es ist nichts besonderes aber trotzdem mindestens 3 Klassen besser als das Motel letzte Nacht. Ich frage unseren Wirt, ob es noch etwas besonderes in Needles zu sehen gäbe. Er muss lange überlegen. Dann fällt ihm ein, dass sie eine neue Parkbank haben. Sie ist beleuchtet und hat oben drüber ein Schild mit Route 66. Sie sähe im Dunkeln ganz nett aus. Mit bedauerndem Lächeln reicht er uns das Fernsehprogramm.

Wir beschließen trotzdem noch einen Rundgang durch den Ort zu machen. Hier gibt es definitiv mehr Kirchen als Kneipen. Wahrscheinlich waren alle so erleichtert, als sie nach monatelangem Marsch durch die Wüste Wasser gesehen haben, dass sie vor lauter Dankbarkeit gleich eine Kirche gegründet haben oder hat jemand eine andere Erklärung?

Am Ufer des Colorado
Am Ufer des Colorado

Wir bestaunen am Bahnhof noch einen durchfahrenden Güterzug und man bestaunt uns. Hier hält zwar auch der Amtrak, aber der Fahrplan ist so klein, dass ich nur erahnen kann, dass es anscheinend nicht öfter als einmal täglich der Fall ist. Dabei gibt es ein historisches Bahnhofsgebäude, das durchaus eindrucksvoll ist. Es wurde 1988 geschlossen und wird nun saniert, aber was daraus werden soll, finden wir nicht heraus. Davor steht noch eine Heldengedenkkanone und oh Wunder die Parkbank. Ich verrücke eine Straßenabsperrung und funktioniere sie zum Stativ für meine Kamera um. So gelingt mir mit Selbstauslöser tatsächlich ein Bild!

Zurück im Hotelzimmer forschen wir im Internet ob es nicht doch noch etwas besonderes an Needles gibt und werden fündig: Charles Schulz, der Erschaffer der Peanuts hat hier mal gelebt und Spikes, der Bruder von Snoopy lebt außerhalb von Needles in einem Saguaro. Mal sehen, ob wir ihn treffen….

Ab in die Wüste!

Nachdem wir in unserem schönen Zimmer wunderbar geschlafen haben, genießen wir ein genauso prächtiges Frühstück: frischer Obstsalat, Granola, Joghurt, dunkler Kuchen mit Pistazien und Clotted Cream, Zitronenpfannkuchen mit warmen Ahornsirup und natürlich nicht zu vergessen Saft und Kaffee und Tee.

Die Bear Mountain Lodge
Die Bear Mountain Lodge

Das Haus an sich ist bereits eine Augenweide. Nicht nur ist alles liebevoll eingerichtet, sondern überall hängen oder stehen Kunstwerke: Bilder, Skulpturen und viel Keramik. Eine Galerie nutzt das Haus, um Kunst auszustellen und natürlich auch zu verkaufen. Heute morgen sind es nun vier Riesenpudel, die im Garten miteinander tollen. Die Riesenpudel sind ein Markenzeichen der Lodge, es gibt sogar Postkarten mit gezeichneten Pudeln.

Rund um die Lodge tummeln sich viele Vögel an den zahlreichen Futterstellen
Rund um die Lodge tummeln sich viele Vögel an den zahlreichen Futterstellen

Nach dem Frühstück unternehmen wir noch einen kleinen Spaziergang. Gestern sind wir im Dunkeln angekommen. Nun wollen wir wenigstens sehen, wo wir eigentlich sind. Liegt es nun an der Höhe oder am Frühstück, dass uns die Strecke bergauf so schwer fällt?

Außerdem wollen wir noch die Altstadt von Silver City sehen. Wir hatten gehört, sie solle recht sehenswert sein. Unsere Wirtin meint, der wirtschaftliche Aufschwung wäre in Silver City noch nicht angekommen. In der Altstadt verstehen wir dann, was sie meint: Viele Läden sind leer oder zumindest geschlossen. Am späten Vormittag sitzen viele Leute scheinbar ohne Aufgabe auf irgendwelchen Bänken. Touristen scheinen außer uns keine unterwegs zu sein. Das angeblich so großartige Angebot an Kunsthandwerkerläden überzeugt uns nicht wirklich.

Silver City Downtown
Silver City Downtown

Wenigstens eine Galerie wollen wir uns dann doch mal anschauen: eine aus Berlin stammende Malerin betreibt das Atelier. Wir kommen ins Gespräch und erfahren, wie schlecht die Welt sei: in Berlin gibt es zu viel Kriminalität, in Kalifornien zu viele Überschwemmungen und zu viel Nebel, in Arizona zu viele Klapperschlangen, nur hier ist das Paradies – aha! Wir beschließen uns nun doch auf den Weg zu machen.

Hier war mal die Main Street
Hier war mal die Main Street

Das einzig wirklich Bemerkenswerte an dieser Altstadt  ist der grobe Planungsfehler der Gründer. Man hatte im 19. Jahrhundert beschlossen, eine Stadt aus Stein zu bauen und ein Straßenraster festgelegt. Dabei muss man offensichtlich übersehen, dass genau hier bei größeren Regenfällen der Wasserablauf ist. Vielleicht hätte man die Indianer fragen sollen, die man von hier zwangsumgesiedelt hat. Als beim nächsten großen Regen, dem Wasser die Häuser im Weg standen, nahm es die Hauptstraße. Da der Querschnitt nicht ganz zu reichen schien, gruben sich die Wassermassen einen gewaltigen Canyon, in dem die Hauptstraße und die dazugehörigen Gebäude davon gespült wurden. Man hat aus der Not eine Tugend gemacht und das Ganze zum Park erklärt.

Colossal Cave
Colossal Cave

Um kurz vor Mittag fahren wir endlich los. An der Straße nach Lordsburg befindet sich eine gewaltige Kupfermine. Wir hatten uns schon auf der anderen Seite der Stadt, über die Erdmassen gewundert, die dort aufgefahren wurden. Die Mine liefert nun die Erklärung: irgendwo muss der Abraum ja hin. Nun fahren wir erst einmal ein gutes Stück.

Um halb vier sind wir östlich von Tucson und halten vor der Höhle Colossal Cave. 1879 hat sie ein Farmer wieder entdeckt, der nach seinem entlaufenen Vieh suchte. Zuvor war sie bis ins 15. Jahrhundert von einem Indianerstamm genutzt worden.In den 30er Jahren ist sie dann so ausgebaut worden, dass ein kleiner Teil ohne besondere Ausrüstung besucht werden kann. Leider ist viel abgebrochen und beschädigt. In der Höhle ist es ungefähr 20°C warm und trocken. Es ist sehr deutlich zu sehen, dass die Höhle durch eine Spalte zwischen den Platten der Erdkruste entstanden ist. Eindringendes Wasser hat in Jahrmillionen die Hohlräume ausgewaschen.

Das dritte Rehe sprintet seinen beiden Kumpeln noch schnell hinterher
Das dritte Rehe sprintet seinen beiden Kumpeln noch schnell hinterher

Bereits auf dem letzten Stück Weg zur Höhle haben uns die großen Säulenkakteen begeistert und so fahren wir noch ein Stück weiter zum Saguaro Nationalpark. Es ist kurz vor Sonnenuntergang. Unterwegs springen mal wieder ein paar Rehe über die Straße. Der Park hat nur bis Sonnenuntergang geöffent, aber wir dürfen noch hinein. Auf einer 8 Meilen langen Ringstraße rollen wir langsam durch die Sonora Wüste mit ihren wunderschönen Kakteen. Als wir wieder am Eingang ankommen, ist es dunkel.

Im Saguaro Park nach Sonnenuntergang
Im Saguaro Park nach Sonnenuntergang

In einem kleinen Bed & Breakfast Hotel ganz in der Nähe haben wir für die nächsten zwei Nächte eine Unterkunft gebucht. Ein Lehrerehepaar hat nach dem Beginn ihrer Rente ihr Haus ausgebaut und einige wenige sehr liebevoll eingerichtete Zimmer geschaffen.

In Nassau zu Fuß angekommen

Rankpflanze im Retreat
Rankpflanze im Retreat

Unser Tag beginnt mit einer Enttäuschung: Der Frühstückraum besteht aus einem Tisch, an dem ein paar Angestellte Fußball gucken statt zu arbeiten. Auf einem Tisch an der Seite liegen Packungen mit Styroporgeschirr und Plastikbesteck, daneben lieblos ein Eimer Cornflakes, eine Schale Dosenobst, eine Flasche Milch und eine Packung Toast. Der Wasserkocher ist leer. Zum Hinsetzen gibt es nichts. Wir setzen uns nach draußen an einen Tisch vor der Rezeption. Aber auch dort fühlen wir uns nicht willkommen. Ein Mitarbeiter parkt seinen Wagen rückwärts ein und lässt ihn laufen. Eine Mitarbeiterin fegt demonstrativ das Büro aus. Wir werden satt, aber wir sind ziemlich sauer. Wenn wir hier länger bleiben müssten, würden wir uns nun ein neues Hotel suchen. Auch die anderen Gäste sind genervt. Wir überlegen uns, wie man den Laden hier mal auf Vordermann bringen müsste, denn eigentlich ist es eine schöne Anlage mit großen alten Bäumen und netten kleinen Häuschen darunter. Wir ziehen schließlich mit unseren Teebechern an den Pool um, aber irgendwann ist es dort auch vorbei mit dem Frieden. Es wird gnadenlos die Weihnachtsmusik angeschaltet und gefegt. Also auf und die Stadt anschauen!

Poison Wood
Poison Wood

Gestern hatten wir nach Fahrrädern gefragt, aber eine Fahrradvermietung scheint es nicht zu geben, nur Mopeds kann man anscheinend mieten. Vorn an der Straße ist eine Bushaltestelle und ansonsten gibt es Taxis. Wir breiten den Stadtplan aus und erkunden erst einmal das Nächstliegendste: „The Retreat“ – ein winzig kleiner Nationalpark ein kurzes Stück die Straße runter: In einem 11 Hektar großen Garten gibt es eine umfangreiche Sammlung an Palmen. Wir laufen auf kleinen Pfaden durch einen dschungelartigen Wald und sind komplett alleine hier. Zwischendurch sind tiefe höhlenartige Löcher im Boden, aus denen teilweise auch Palmen wachsen. Warnschilder weisen uns auf Poison Wood hin, das wir nicht berühren sollen. Später schauen wir nach: der Baum ist verwandt mit der giftigen Eiche (Poison Oak), die wir schon aus USA kennen.

Conch auf dem Fischmarkt
Conch auf dem Fischmarkt

Nach dem Dschungel ist uns nun dringend nach Strand zu Mute. Glücklicherweise liegt der nur wenige Minuten die Straße runter. Auf einer kleinen Pier ist ein Fischmarkt aufgebaut. Es gibt Conch (Fechterschnecken), große Barsche, Red Snapper und eine Art Hummer. Anschließend laufen wir den Strand entlang bis zum winzigen Fort Montagu über dessen Mauern die Kanonen hinwegragen. Ein britischer Herzog mit Verfolgungswahn hat im 18. Jahrhundert während seiner Amtszeit auf den Bahamas solange Forts gebaut, bis man ihn von seinem Job erlöst hat. Kein einziges dieser Forts wurde jemals ernsthaft gebraucht, aber für Salutschüsse waren die Kanonen gut geeignet.

Fischmarkt
Fischmarkt

Wir trinken an einem kleinen Stand „Sky Juice unleaded“ – ein süßes Getränk aus Kokosnuss und Milch. Das Ganze hätten wir auch noch mit Rum haben können, aber dann hätten wir den Tag wohl kaum überlebt. Nun muss ich die Schuhe wieder anziehen, denn ab jetzt sind Zugänge zum Wasser rar. Alles verbirgt sich hinter Zäunen. An der nächsten Bank versuchen wir vergeblich Bargeld aus dem Automaten zu ziehen. Auch an den nächsten Banken funktioniert das nicht. Wir haben zwar außer US-Dollar auch noch Euros und britische Pfund und könnten letztere morgen noch umtauschen, aber es wäre doch angenehmer zu wissen, dass wir im Zweifelsfall noch Bargeld abheben könnten. Auf den Inseln weiter draußen wird es sicherlich keine Chance mehr geben mit Kreditkarte zu zahlen wie hier in Nassau.

Innovative Bootslagerung
Innovative Bootslagerung

Hinter den Brücken zu Paradise Island wird die Straße langsam städtischer und trauriger. Offensichtlich gab es hier mal viele kleine Läden, die alle dicht gemacht haben. Wir verlassen die Straße, da wir den Wasserturm erspäht haben, den wir als nächstes erklimmen möchten, um mal einen Rundblick über die Insel zu bekommen. Um dort oben hin zu kommen, müssen wir über „The Queens Staircase“, eine Treppe zu Ehren von Queen Victoria. Für jedes Jahr Ihrer Amtszeit gibt es eine Stufe, insgesamt 65. Der Zugang zur Treppe ist eine enge Schlucht, die wohl in den Fels gehauen wurde. Eigentlich soll es laut Reiseführer noch einen Wasserfall neben der Treppe gebe, aber der ist wohl außer Betrieb. Oben gibt es viele kleine Buden, die aber größtenteils geschlossen haben oder gerade dicht machen. Das erste der drei Kreuzfahrschiffe im Hafen hat gerade abgelegt, nun lohnt sich das Geschäft wohl nicht mehr. Der Wasserturm ist geschlossen, als Alternative klettern wir auf das nächste Fort, das der britische Herzog gebaut hat. Auch von hier haben wir schon einen einigermaßen Überblick.

Das Treppenhaus der Königin
Das Treppenhaus der Königin

Auf dem Rückweg kehren wir in einem kleinen vollkommen leeren Gartenlokal ein. Die Inhaberin macht kugelrunde Augen. Mit Gästen hatte sie wohl nicht mehr gerechnet. Nach uns kommt noch ein Paar. Es stellt sich heraus, dass die beiden mit dem Segelboot unterwegs sind und so nehmen wir schnell Kontakt auf. Er ist Frankokanadier, sie Französin. Sein Vater hat das Boot innerhalb von 2 Monaten von Quebec auf die Bahamas gesegelt. Die beiden wollen genau wie wir auf die Exumas, aber schon morgen auslaufen. Aufgrund des kräftigen Windes haben sie die letzten Tage lieber hier in Nassau verbracht und können uns schon einige Tipps geben. Sie wissen auch, wo sich unsere Charterbasis befindet und nehmen uns nach dem Essen mit hin. Nach vorne zur Straße sieht alles noch sehr nach Baustelle aus. Am Wasser ist ein nagelneuer Hafen. Unser Boot liegt schon da und wird gerade fit gemacht. Wenn wir schon mal hier sind, wollen wir auch Hallo sagen. Wir treffen Norman, den Chef der Charterbasis, der uns sehr freundlich begrüßt. Er und seine Mitarbeiter sind hier die ersten Menschen mit weißer Hautfarbe, die wir arbeiten sehen.

Americas Cupper im Hafen von Nassau
Americas Cupper im Hafen von Nassau

Claire, die Französin hatte uns erzählt, dass ein Stück weiter die Straße entlang in Richtung des Kreuzfahranlegers sich das Ambiente sehr stark ändern soll. Also laufen wir nach dem Abstecher zum Hafen weiter die Bay Street entlang Richtung Westen. Tatsächlich ändert sich der Charakter fast schlagartig. Nun stehen keine Läden mehr leer. Schicke Boutiquen und Schmuckläden reihen sich aneinander. Wir besuchen den Straw Market, eine Markthalle mit Läden, die im Wesentlichen Taschen und Hüte aus Stroh, Holzarbeiten und Klamotten verkaufen. Die meisten sind geschlossen und die restlichen scheinen auch gleich schließen zu wollen. Es ist 17 Uhr und die beiden anderen Kreuzfahrer bereiten sich auf das Ablegen vor.

Kirche in Nassau
Kirche in Nassau

Wir laufen noch ein Stückchen weiter und finden noch einen vor Kurzem eröffneten Platz zu Ehren eines Sklaven, der im 19. Jahrhundert, die ersten Sklavenaufstände angeführt hat und eine Kirche, in der gerade ein Chor probt. Draußen patroulliert der Küster im schwarzen Ornat. Als ich neugierig schaue, lädt er mich ein, doch noch schnell ein Foto von der Kirche zu machen. Das lass ich mir nicht zweimal sagen. Dann finden wir auch noch eine Bank. Wir machen noch einen Versuch mit den Bankkarten und diesmal habe ich Erfolg, Klaus mit seiner Karte seltsamerweise nicht.

Haus mit Kletterpflanze an der Bushaltestelle
Haus mit Kletterpflanze an der Bushaltestelle

Die Rückreise treten wir mit dem Bus an. Drinnen spielt laute Reggaemusik. Wir kommen mit einer Frau ins Gespräch, die erzählt, was man ihr alles aus dem Auto geklaut hat: unter anderem Frontscheinwerfer, Zündschloss und Radio. Geparkt war das Auto vor der Polizeistation. Ich frage, ob es nicht einfacher gewesen wäre, gleich das ganze Auto zu klauen. Sei meint, das täte hier niemand. Dafür ist die Insel einfach zu klein.

Zurück im Hotel stellen wir uns erst einmal unter die Dusche. Da ich die Worte von Claire noch im Ohr habe, die sich nach 10 Tagen auf ihre erste Dusche freute, nutzen wir die vermutlich letzte Chance für die nächsten Tage und waschen gleich schon zum ersten Mal unsere durchgeschwitzte Wäsche in der Badewanne. Anschließend setzen wir uns wieder an den Pool. Unbarmherzig dudelt dort die Weihnachtsmusik. Klaus kann schließlich erwirken, dass sie zumindest leise gedreht wird. Als wir versuchen, noch eine dritte Flasche Bier am Empfang zu kaufen. Stellt sich heraus, dass die Vorräte alle sind…

 

Rue Cujas

Als wir vor einiger Zeit beschlossen, unseren 20. Hochzeitstag in Paris zu verbringen und uns die Zugtickets gekauft hatten, machten wir uns auf die Suche nach einem Hotel. Dabei kamen eine Menge Erinnerungen hoch, denn bislang haben wir in Paris immer in der Rue Cujas, einer Seitenstraße des Boulevard St. Michel in der Nähe des Jardin de Luxembourg, gewohnt.
Nachdem ich vorher schon mehrmals in Paris war, um von einem Bahnhof zum anderen umzusteigen und dabei mehrmals die Wartezeit mit Stadterkundungen verbracht hatte, sind wir 1988 zum ersten Mal zusammen nach Paris gereist. Wir waren beide noch Studenten und hatten kein Geld. Wir hatten uns einen Reiseführer gekauft, der auf Leute wie uns zugeschnitten war und nur sehr günstige Hotels empfahl.
Darin fand ich das Hotel Cujas in der gleichnamigen Straße. Dort rief ich damals an, um ein Zimmer zu reservieren. Man sagte mir, dass sei nicht nötig, sie hätten immer Zimmer frei. Vielleicht hätte mich das misstrauisch machen sollen, aber ich vertraute dem Stern, den das Hotel angeblich haben sollte. Als wir früh morgens ankamen, war von einem Stern außer dem Schatten an der Wand nichts mehr zu sehen. Wir konnten noch nicht auf das Zimmer, also stellten wir unser Gepäck unter und gingen erst einmal frühstücken. Als wir gegen Mittag unser Zimmer bezogen, war unsere nächste Aktion sofort klar: Hier bleiben wir nicht länger als eine Nacht, wir brauchen ein anderes Hotelzimmer. Die Tapeten pellten sich von der Wand. Auf dem Nachttisch lag Bauschutt, die Fenster drohten aus den Angeln zu fallen und durch die Dusche liefen die Kakerlaken…
Wir hatten Glück, gegenüber im Grand Hotel war ein Zimmer frei und so zogen wir am nächsten Tag um. Die Zimmer waren groß, das Hotel sehr plüschig und alt. Bei unserem nächsten Besuch waren wir wieder hier.
Gegenüber war ein Zweisternehotel, das von außen sehr nett aussah. Dies schauten wir uns einfach mal an, um für den nächsten Besuch ein weiteres Hotel zu kennen. Dort verbrachten wir die nächsten Besuche.
Also war klar, dass wir auch dieses Mal in der Rue Cujas wohnen wollten. Im Internet haben wir nach den uns bekannten Hotels geschaut. Nur hat sich in der Zwischenzeit viel verändert. Das Zweisternehotel war bereits ausgebucht, das Grand Hotel aufwendig saniert und viel zu teuer. Das Hotel Cujas ist auch saniert, aber es sieht alles schon auf den Fotos so billig aus, dass mich da keine zehn Pferde mehr hineinbekommen…
Wir werden also zum ersten Mal in einer anderen Straße wohnen. Via Google haben wir wenige Straßen weiter in einer Sackgasse ein Hotel gefunden. Über Hotelportale war es nicht zu buchen, also habe ich meine Französischkenntnisse wieder zusammengesucht und angerufen, um ein Zimmer zu reservieren. Nun sind wir gespannt!