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In Nassau zu Fuß angekommen

Rankpflanze im Retreat
Rankpflanze im Retreat

Unser Tag beginnt mit einer Enttäuschung: Der Frühstückraum besteht aus einem Tisch, an dem ein paar Angestellte Fußball gucken statt zu arbeiten. Auf einem Tisch an der Seite liegen Packungen mit Styroporgeschirr und Plastikbesteck, daneben lieblos ein Eimer Cornflakes, eine Schale Dosenobst, eine Flasche Milch und eine Packung Toast. Der Wasserkocher ist leer. Zum Hinsetzen gibt es nichts. Wir setzen uns nach draußen an einen Tisch vor der Rezeption. Aber auch dort fühlen wir uns nicht willkommen. Ein Mitarbeiter parkt seinen Wagen rückwärts ein und lässt ihn laufen. Eine Mitarbeiterin fegt demonstrativ das Büro aus. Wir werden satt, aber wir sind ziemlich sauer. Wenn wir hier länger bleiben müssten, würden wir uns nun ein neues Hotel suchen. Auch die anderen Gäste sind genervt. Wir überlegen uns, wie man den Laden hier mal auf Vordermann bringen müsste, denn eigentlich ist es eine schöne Anlage mit großen alten Bäumen und netten kleinen Häuschen darunter. Wir ziehen schließlich mit unseren Teebechern an den Pool um, aber irgendwann ist es dort auch vorbei mit dem Frieden. Es wird gnadenlos die Weihnachtsmusik angeschaltet und gefegt. Also auf und die Stadt anschauen!

Poison Wood
Poison Wood

Gestern hatten wir nach Fahrrädern gefragt, aber eine Fahrradvermietung scheint es nicht zu geben, nur Mopeds kann man anscheinend mieten. Vorn an der Straße ist eine Bushaltestelle und ansonsten gibt es Taxis. Wir breiten den Stadtplan aus und erkunden erst einmal das Nächstliegendste: „The Retreat“ – ein winzig kleiner Nationalpark ein kurzes Stück die Straße runter: In einem 11 Hektar großen Garten gibt es eine umfangreiche Sammlung an Palmen. Wir laufen auf kleinen Pfaden durch einen dschungelartigen Wald und sind komplett alleine hier. Zwischendurch sind tiefe höhlenartige Löcher im Boden, aus denen teilweise auch Palmen wachsen. Warnschilder weisen uns auf Poison Wood hin, das wir nicht berühren sollen. Später schauen wir nach: der Baum ist verwandt mit der giftigen Eiche (Poison Oak), die wir schon aus USA kennen.

Conch auf dem Fischmarkt
Conch auf dem Fischmarkt

Nach dem Dschungel ist uns nun dringend nach Strand zu Mute. Glücklicherweise liegt der nur wenige Minuten die Straße runter. Auf einer kleinen Pier ist ein Fischmarkt aufgebaut. Es gibt Conch (Fechterschnecken), große Barsche, Red Snapper und eine Art Hummer. Anschließend laufen wir den Strand entlang bis zum winzigen Fort Montagu über dessen Mauern die Kanonen hinwegragen. Ein britischer Herzog mit Verfolgungswahn hat im 18. Jahrhundert während seiner Amtszeit auf den Bahamas solange Forts gebaut, bis man ihn von seinem Job erlöst hat. Kein einziges dieser Forts wurde jemals ernsthaft gebraucht, aber für Salutschüsse waren die Kanonen gut geeignet.

Fischmarkt
Fischmarkt

Wir trinken an einem kleinen Stand „Sky Juice unleaded“ – ein süßes Getränk aus Kokosnuss und Milch. Das Ganze hätten wir auch noch mit Rum haben können, aber dann hätten wir den Tag wohl kaum überlebt. Nun muss ich die Schuhe wieder anziehen, denn ab jetzt sind Zugänge zum Wasser rar. Alles verbirgt sich hinter Zäunen. An der nächsten Bank versuchen wir vergeblich Bargeld aus dem Automaten zu ziehen. Auch an den nächsten Banken funktioniert das nicht. Wir haben zwar außer US-Dollar auch noch Euros und britische Pfund und könnten letztere morgen noch umtauschen, aber es wäre doch angenehmer zu wissen, dass wir im Zweifelsfall noch Bargeld abheben könnten. Auf den Inseln weiter draußen wird es sicherlich keine Chance mehr geben mit Kreditkarte zu zahlen wie hier in Nassau.

Innovative Bootslagerung
Innovative Bootslagerung

Hinter den Brücken zu Paradise Island wird die Straße langsam städtischer und trauriger. Offensichtlich gab es hier mal viele kleine Läden, die alle dicht gemacht haben. Wir verlassen die Straße, da wir den Wasserturm erspäht haben, den wir als nächstes erklimmen möchten, um mal einen Rundblick über die Insel zu bekommen. Um dort oben hin zu kommen, müssen wir über „The Queens Staircase“, eine Treppe zu Ehren von Queen Victoria. Für jedes Jahr Ihrer Amtszeit gibt es eine Stufe, insgesamt 65. Der Zugang zur Treppe ist eine enge Schlucht, die wohl in den Fels gehauen wurde. Eigentlich soll es laut Reiseführer noch einen Wasserfall neben der Treppe gebe, aber der ist wohl außer Betrieb. Oben gibt es viele kleine Buden, die aber größtenteils geschlossen haben oder gerade dicht machen. Das erste der drei Kreuzfahrschiffe im Hafen hat gerade abgelegt, nun lohnt sich das Geschäft wohl nicht mehr. Der Wasserturm ist geschlossen, als Alternative klettern wir auf das nächste Fort, das der britische Herzog gebaut hat. Auch von hier haben wir schon einen einigermaßen Überblick.

Das Treppenhaus der Königin
Das Treppenhaus der Königin

Auf dem Rückweg kehren wir in einem kleinen vollkommen leeren Gartenlokal ein. Die Inhaberin macht kugelrunde Augen. Mit Gästen hatte sie wohl nicht mehr gerechnet. Nach uns kommt noch ein Paar. Es stellt sich heraus, dass die beiden mit dem Segelboot unterwegs sind und so nehmen wir schnell Kontakt auf. Er ist Frankokanadier, sie Französin. Sein Vater hat das Boot innerhalb von 2 Monaten von Quebec auf die Bahamas gesegelt. Die beiden wollen genau wie wir auf die Exumas, aber schon morgen auslaufen. Aufgrund des kräftigen Windes haben sie die letzten Tage lieber hier in Nassau verbracht und können uns schon einige Tipps geben. Sie wissen auch, wo sich unsere Charterbasis befindet und nehmen uns nach dem Essen mit hin. Nach vorne zur Straße sieht alles noch sehr nach Baustelle aus. Am Wasser ist ein nagelneuer Hafen. Unser Boot liegt schon da und wird gerade fit gemacht. Wenn wir schon mal hier sind, wollen wir auch Hallo sagen. Wir treffen Norman, den Chef der Charterbasis, der uns sehr freundlich begrüßt. Er und seine Mitarbeiter sind hier die ersten Menschen mit weißer Hautfarbe, die wir arbeiten sehen.

Americas Cupper im Hafen von Nassau
Americas Cupper im Hafen von Nassau

Claire, die Französin hatte uns erzählt, dass ein Stück weiter die Straße entlang in Richtung des Kreuzfahranlegers sich das Ambiente sehr stark ändern soll. Also laufen wir nach dem Abstecher zum Hafen weiter die Bay Street entlang Richtung Westen. Tatsächlich ändert sich der Charakter fast schlagartig. Nun stehen keine Läden mehr leer. Schicke Boutiquen und Schmuckläden reihen sich aneinander. Wir besuchen den Straw Market, eine Markthalle mit Läden, die im Wesentlichen Taschen und Hüte aus Stroh, Holzarbeiten und Klamotten verkaufen. Die meisten sind geschlossen und die restlichen scheinen auch gleich schließen zu wollen. Es ist 17 Uhr und die beiden anderen Kreuzfahrer bereiten sich auf das Ablegen vor.

Kirche in Nassau
Kirche in Nassau

Wir laufen noch ein Stückchen weiter und finden noch einen vor Kurzem eröffneten Platz zu Ehren eines Sklaven, der im 19. Jahrhundert, die ersten Sklavenaufstände angeführt hat und eine Kirche, in der gerade ein Chor probt. Draußen patroulliert der Küster im schwarzen Ornat. Als ich neugierig schaue, lädt er mich ein, doch noch schnell ein Foto von der Kirche zu machen. Das lass ich mir nicht zweimal sagen. Dann finden wir auch noch eine Bank. Wir machen noch einen Versuch mit den Bankkarten und diesmal habe ich Erfolg, Klaus mit seiner Karte seltsamerweise nicht.

Haus mit Kletterpflanze an der Bushaltestelle
Haus mit Kletterpflanze an der Bushaltestelle

Die Rückreise treten wir mit dem Bus an. Drinnen spielt laute Reggaemusik. Wir kommen mit einer Frau ins Gespräch, die erzählt, was man ihr alles aus dem Auto geklaut hat: unter anderem Frontscheinwerfer, Zündschloss und Radio. Geparkt war das Auto vor der Polizeistation. Ich frage, ob es nicht einfacher gewesen wäre, gleich das ganze Auto zu klauen. Sei meint, das täte hier niemand. Dafür ist die Insel einfach zu klein.

Zurück im Hotel stellen wir uns erst einmal unter die Dusche. Da ich die Worte von Claire noch im Ohr habe, die sich nach 10 Tagen auf ihre erste Dusche freute, nutzen wir die vermutlich letzte Chance für die nächsten Tage und waschen gleich schon zum ersten Mal unsere durchgeschwitzte Wäsche in der Badewanne. Anschließend setzen wir uns wieder an den Pool. Unbarmherzig dudelt dort die Weihnachtsmusik. Klaus kann schließlich erwirken, dass sie zumindest leise gedreht wird. Als wir versuchen, noch eine dritte Flasche Bier am Empfang zu kaufen. Stellt sich heraus, dass die Vorräte alle sind…

 

Außensichten – der Strand ist abgeschlossen

Heute sind die Ausstellungen im Arsenale dran. Immerhin fahren die Vaporetti wieder. Also stürzen wir uns in das Abenteuer, eine Gruppe Kunstinteressierter auf den überfüllten Vaporetti zum Arsenal zu bringen ohne jemanden zu verlieren. Wir selbst haben den Vorteil, dass wir Venedig und die Ausstellungsorte bereits kennen.

J.D. 'Okhai Ojeikere hat in Nigeria jahrzehntelang die Haartrachten dokumentiert. So wie die Bilder hängen, fragt sich, wer hier wen betrachtet?
J.D. ‚Okhai Ojeikere hat in Nigeria jahrzehntelang die Haartrachten dokumentiert. So wie die Bilder hängen, fragt sich, wer hier wen betrachtet?

Im Gegensatz zu dem Hauptpavillon in den Giardini wendet sich die Ausstellung im Arsenal den Außenwelten zu, dass heißt unserer Sicht auf die Welt. Entsprechend finden sich neben Fotografie, Malerei und Skulpturen auch viele Videoinstallationen und digitale Bearbeitungen. Im letzten Teil der Ausstellung geht es dann um den Blick auf den Menschen. Besonders eindrucksvoll ist eine große Gruppe grauer Skulpturen mit Abdrücken der Gesichter etlicher Venezianer. Die Körper bestehen aus Stahlstangen umwickelt mit Bändern die aussehen, als wären sie in flüssiges graues Plastik getaucht worden. Alle Skulpturen haben die Augen geschlossen. Wir fühlen uns, als würden wir durch eine Gruppe Geister wandeln.

Ein Modell der Bienale geht Baden und wir schauen zu
Ein Modell der Bienale geht Baden und wir schauen zu

Neben der zentralen Ausstellung befinden sich noch etliche Länderpavillons in den Arsenale. In einem ist das Ausstellungsgelände als Modell zu sehen, das in regelmäßigen Abständen im Wasser versinkt. Ein Schelm der Böses dabei denkt…

Leider haben wir nicht bemerkt, dass die Bahamas, unser nächstes Reiseziel hier auch ihren Pavillon haben. Er liegt so versteckt, dass wir ihn übersehen.

Pawel Althamer: "Venetianer"
Pawel Althamer: „Venetianer“

Nach den Arsenale geht es zur letzten Kirche unserer Venedig-Reise. Mit dem Vaporetto fahren wir zur Insel San Giorgio und besuchen dort die gleichnamige Kirche. Dort hängen einige berühmte Tintorettos. Leider sind sie furchtbar dunkel. Auch wenn wir ständig 50 Cent-Stücke in einen Automaten werfen, um die Beleuchtung einzuschalten, verbessert das die Sache auch nicht so sehr.  Auf den anschließend geplanen Aufstieg zum Kirchturm inklusive Rundblick über die Stadt verzichten wir angesichts der langen Warteschlange. Statt dessen versorgen wir uns in mehreren kleinen Läden auf der Giudecca mit Schinken, Käse, Wurst, Brot und frischen Weintrauben für ein abendliches Picknick. Entsetzt starren wir auf ein gewaltiges Kreuzfahrtschiff, dass gerade aus dem Hafen geschleppt wird und hier vollkommen überdimensioniert wird. Von Geld lassen sich anscheinend die meisten Stadträte dieser Welt korrumpieren…

Ich weiche vom Weg ab und entdecke in einem Länderpavillon diesen interessanten Reiter
Ich weiche vom Weg ab und entdecke in einem Länderpavillon diesen interessanten Reiter

Mit dem Vaporetto fahren wir anschließend raus zum Lido in der Hoffnung, dort am Strand ein Plätzchen für ein Picknick zu finden. Das Vorhaben scheitert jedoch am Zaun vor dem Strand und so kehren wir unverrichteter Dinge mit knurrenden Mägen wieder um. Zur Beruhigung gibt es ein paar Grissinis auf die Faust und noch ein paar zusätzliche Oliven von einem appetitlichen Laden auf dem Lido. Unser Picknick verlegen wir in den lauschigen Innenhof unseres Hotels und genießen dort den schönen Abend beim Plätschern des Brunnens.

Der Kreuzfahrer ist viel zu groß für diese Stadt
Der Kreuzfahrer ist viel zu groß für diese Stadt