Es wird Zeit für die Lektüre!

Vor Beginn der Reise hatte ich versprochen, über unsere Sinai-Lektüre zu berichten. Diese ist auch schon seit langer Zeit gelesen.Flugzeuglektüre

Pflichtlektüre sind natürlich die Bücher Mose. Ich habe mir das 2. Buch Mose ausgedruckt und mich an drei Abenden unterwegs durch Exodus 1-24 gequält. Das hätte für mich gern etwas spannender geschrieben werden können. Goethe muss es wohl so ähnlich gegangen sein, denn er bezeichnet die Bücher Mose in seinen Noten und Abhandlungen zum West-Östlichen Divan als „sonderbar, unglücklich redigierte Bücher“, die „durch eine höchst traurige, unbegreifliche Redaktion ganz ungenießbar [werden]“.

Mit großem Interesse habe ich seine Überlegungen verfolgt, in denen er aus seiner Sicht als Schriftsteller versucht, aus der Geschichte etwas zu machen. Er versetzt sich nach und nach in die einzelnen Charaktere und versucht zu ergründen, was ihre Motive und Interessen sind. Dabei stößt er auf allerlei Widersprüchliches und liefert schließlich seine Version der Geschichte. Fazit: absolut lesenswert!

Goethe lag mit seinen Zweifeln schon damals nicht ganz falsch, auch die heutigen Forscher sind vom Wahrheitsgehalt der Geschichte nicht überzeugt, wie sich in den Artikeln aus GEO und SPIEGEL im Abschnitt „Sinai, Moses und die Folgen“ nachlesen lässt.Sonnenuntergang

Ganz anders geht Thomas Hobbes die Geschichte an. Am Wahrheitsgehalt zweifelt er nicht. Ihn interessiert eher der Nutzen dieser Geschichte, die vom Sieg des Monotheismus über den Polytheismus handelt. Denn Gott und das Volk Israel schließen hier einen Vertrag. Er geht in seiner Betrachtung der Frage nach, ob dieser Vertrag notwendig war, um eine Herrschaft Gottes zu begründen und was der Vertrag genau regelt. Schließlich verfolgt er auch historisch, wie es nach Mose mit dem Stellvertreter Gottes auf Erden weitergeht.

Für mich war dies eine sehr unkonventionelle und höchst spannende Sichtweise, die in sich sehr logisch ist und so manchen historischen und aktuellen Konflikt zwischen weltlicher und kirchlicher Macht für mich neu beleuchtet hat. Natürlich wirft dies auch viele neue Fragen auf, so scheint mir die eigentliche Motivation der Geschichte von Mose eher die Rechtfertigung von Macht und die Stärkung des Selbstbewusstseins eines Volkes zu sein, als der Glaube.

War ich über Thomas Hobbes schon erstaunt, der im 17. Jahrhundert solche immer noch modern erscheinenden Ansichten veröffentlicht, so wuchs mein Staunen bei Spinoza um so mehr. Er nimmt in seinem Werk zu gleicher Zeit die Bibel radikal auseinander, zieht als Philosoph die wesentlichen Grundaussagen heraus und erklärt den Rest zu einem historischen Dokument von Menschenhand geschaffen. Auf dieser Basis erklärt er die Grundlagen des wahren Glaubens neu. Dies hat dann eher mit Ethik als mit christlichem oder jüdischem Glauben zu tun. Dass man ihn damals aus der jüdischen Gemeinde ausgeschlossen hat, verwundert dann nicht mehr. Seine Schlussfolgerungen sind sicherlich auch heute noch für viele eher unverdaulich. Fazit: genauso spannend und lesenswert wie Thomas Hobbes!

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mir die Kür hier weitaus mehr Spaß gemacht hat als die Pflichtlektüre 🙂

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