Gibraltar – ein Felsen voller Überraschungen

Heute morgen sind wir um 8:30 Uhr in der Dämmerung aufgebrochen, um nach Gibraltar zu fahren. Wir nehmen die Autobahn und zahlen unterwegs für dieses Privileg auf 130 km fast 10 € Mautgebühr.

Dicht hinter den Booten beginnt die Start- und Landebahn  des Flughafens. Die Häuser im Hintergrund gehören zu La Linea auf der spanischen Seite.
Dicht hinter den Booten beginnt die Start- und Landebahn des Flughafens. Die Häuser im Hintergrund gehören zu La Linea auf der spanischen Seite.

Gibraltar – was erwartet uns dort eigentlich? Der Reiseführer schweigt sich aus. Das Navi weiß auch nicht wo das ist. Unter Spanien ist es nicht zu finden und unter Großbrittanien auch nicht. Also geben wir La Linea Stadtzentrum ein. Das ist die Stadt auf der spanischen Seite. Woanders hatten wir gelesen, man solle sein Auto sowieso lieber auf spanischer Seite lassen, da es immer Stau an der Grenze gäbe. Wir hatten beschlossen auf spanischer Seite zu frühstücken, das Auto dort zu lassen und dann zu Fuß die Grenze zu passieren.

Blick über den Yachthafen auf den Felsen
Blick über den Yachthafen auf den Felsen

Die erste Überraschung: La Linea sieht ziemlich ärmlich aus, fast alles hat zu, also folgen wir erst einmal der Ausschilderung nach Gibraltar. Zweite Überraschung: von Stau keine Spur. Wir fahren über die Grenze. Der spanische Grenzposten ist verweist. Die Briten wollen unseren Ausweis sehen. Wir fragen vorsichtshalber, auf welcher Seite man hier fährt. „Wie in Spanien“, ist die Antwort – also rechts und nicht links. Was nun? Wir haben im wahrsten Sinne des Wortes keinen Plan, aber den braucht man auch nicht wirklich. Der Felsen ist von überall zu sehen, ringsum ist Wasser, dazwischen nicht viel Platz. 6,5 Quadratkilometer hat die Halbinsel, 29 km an asphaltierten Straßen, 1,2 km Grenze zu Spanien und 12 km Küstenlinie. Das Auto braucht man hier nicht wirklich. Neben einer Baustelle am Hafen finden wir einen freien Parkplatz. Ocean Village steht auf einem großen Schild. Wir folgen der Ausschilderung und landen im Yachthafen. In einem kleinen schwimmenden Café bekommen wir unser ersehntes Frühstück. Ich frage mich, ob ich die Leute hier auf Spanisch oder Englisch ansprechen soll. Dritte Überraschung: Wir werden auf Spanisch begrüßt. Bezahlen dürfen wir hinterher in Britischen Pfund. Ich nutze die Chance und lese die örtliche Zeitung zum Frühstück. Es muss schon ein sehr eigenes Lebensgefühl hier sein. Neben den üblichen Nachrichten einer Kleinstadt mit 29000 Einwohnern geht es darum, dass die EU Spanien endlich Druck macht, die Situation an der Grenze zu verbessern. Man regt sich über spanische Fischer in den eigenen Gewässern auf und über ein spanisches Marineschiff, dass die heimischen Gewässer häufiger durchfährt: Nutzt es nun das internationale Recht auf friedliche Durchfahrt oder betreibt es Spionage? Es klingt alles ein wenig nach Verfolgungswahn. Ansonsten lieben die Bewohner Gibraltars die EU und haben etwas gegen britische Politiker, die den Austritt aus der EU fordern. Dann würde für Gibraltar nicht mehr das EU Recht gelten, sondern der Vertrag von Utrecht von 1713, in dem Spanien widerstrebend Gibraltar an Großbrittanien abgegeben hat. Dann wäre es vorbei mit der offenen Grenze und es wäre auch vorbei für die vielen Menschen, die auf spanischer Seite leben und in Gibraltar arbeiten.

Affe auf dem Dach der großen Kasematten neben der Markthalle
Affe auf dem Dach der großen Kasematten neben der Markthalle

Nach dem Frühstück schlendern wir weiter durch das Ocean Village und den Yachthafen. Es gibt viele schicke Designerläden, die heute alle geschlossen haben, eine Megayacht, die als Hotelschiff dient und ein Casino. Zwischen den letzten Yachten und der Startbahn des Flughafens sind nur wenige Meter. Die Startbahn überquert man, direkt nach Grenzübertritt. Eine Ampel regelt den Verkehr und in der Zeitung stand, dass es ab März einen Verbindung nach Marokko geben soll. Das wäre dann mit 30 Minuten der kürzeste Interkontinentalflug. Alles fühlt sich hier sehr eng an und darüber ragt der Felsen 426m in die Luft.

Auf der Main Road zwei von vielen Kanonen, am Boden das Wappen Gibraltars mit dem Schlüssel zum Mittelmeer
Auf der Main Road zwei von vielen Kanonen, am Boden das Wappen Gibraltars mit dem Schlüssel zum Mittelmeer

Wir verlassen das Ocena Village. An der Markthalle finden wir einen Stadtplan. Unser Versuch einen aus dem Automaten zu ziehen, scheitert. Der Weg führt uns durch wuchtige Verteidigungsmauern auf einen kleinen Platz. Vierte Überraschung: hier treffen wir den ersten Affen. Ich dachte, die säßen nur oben auf dem Felsen. Aber dem war es bei dem Wetter wohl zu einsam und zu kalt da oben.

Affen füttern verboten!
Affen füttern verboten!

Fünfte Überraschung: von hier aus beginnt eine sehr gemütliche Einkaufsstraße, wie sie so auch in jeder anderen wohlhabenden europäischen Kleinstadt angetroffen werden könnte. Das einzig bemerkenswerte sind die vielen Läden für Spirituosen und Zigaretten, die heute aber auch geschlossen haben. Sechste Überraschung: Im Schaufenster des Postamtes sind Sondermarken zum 75. Jahrestag der Evakuierung Gibraltars ausgestellt. Wir haben den Eindruck, wir wissen gar nichts über Gibraltar. Wir kaufen anschließend ein paar DVDs über die Geschichte Gibraltars. Leider können wir die erst zu Hause anschauen.

Wie zu erwarten - eine britische Telefonzelle.
Wie zu erwarten – eine britische Telefonzelle.

Am Ende der Einkaufsstraße befindet sich wieder eine dicke Stadtmauer. Siebte Überraschung: Auf einem Schild lesen wir, dass Gibraltar mehrfach Opfer von Piraten wurde. Achte Überraschung: Hinter dem Stadttor gibt es einen kleinen Friedhof zu Ehren der Opfer der Schlacht von Trafalgar. Es liegen dort tatsächlich aber nur zwei der Opfer begraben. Auf der anderen Straßenseite steht eine Statue von Nelson. In Richtung entdecken wir einen weiteren Yachthafen. Auch den müssen wir natürlich erkunden. Alles ist wieder sehr schick. Nett gekleidete Menschen sitzen in dick gepolsterten Korbstühlen neben den allgegenwärtigen liebevollrestaurierten historischen Kanonen und schlürfen eisgekühlte Getränke, während sich ihre sorgfältig frisierten Hündchen in rosa Daunenjäckchen auf dem Nachbarstuhl in der Sonne räkeln. Wir könnten auch schon wieder etwas zu trinken vertragen, aber bitte nicht hier!

Noch ein Yachthafen
Noch ein Yachthafen

Wir laufen zurück zur Main Road und finden dort eine Bar neben dem Gerichtsgebäude. Neunte Überraschung: Der Kellner kommt aus Deutschland und erzählt uns, dass auch er in La Linea wohnt und täglich mit dem Bus zur Arbeit fährt. Er zahlt dort drüben 300€ für ein WG-Zimmer, während eine Einzimmerwohnung in Gibraltar 1000 Britische Pfund im Monat kosten würde. Er bestätigt uns, dass es im Sommer lange Staus an der Grenze gibt. 4 Stunden Wartezeit können da schon mal vorkommen. Er hat aber Verständnis für die spanischen Grenzkontrollen, denn viele würden versuchen, Spirituosen und Zigaretten nach Spanien zu schmuggeln. Was lernen wir daraus: Große Steuerunterschiede erzeugen Kriminalität, die erzeugt Kontrollen und die wiederum erzeugen Unmut bei den zu Unrecht verdächtigten und deshalb in ihrer Bewegungsfreiheit behinderten. Da ist die Lösung doch eigentlich ganz einfach: Schafft die Steuerunterschiede ab! Wenn es denn so einfach wäre, denn genau von diesen Steuerunterschieden lebt Gibraltar. Vom Militär, so wie früher, können sie schon lange nicht mehr leben.

Blick in die Werft
Blick in die Werft

Zehnte Überraschung: Die Seilbahn zum Gipfel fährt heute nicht, die Taxifahrer wollen Unsummen und ob es da oben Parkplätze gibt, kann uns keiner sagen. Die Sonne hat sich mittlerweile verkrochen und einem eisigen Nordwestwind das Feld überlassen. Der zerrt schon hier unten an unseren Rucksäcken, wie wird es da erst oben sein? Wir verzichten auf die Tour und bleiben unten.

Der Strand
Der Strand

An den Hafenanlagen und der Werft laufen wir vorbei. Ich hatte gelesen, dass Gibraltar Petroleum importiert und dann wieder exportiert. Davon können wir hier nichts erkennen. Weiter draußen liegen jedoch etliche Frachter vor Anker, einige werden gerade betankt.

Der Weg durch den zweiten Tunnel
Der Weg durch den zweiten Tunnel

Der Weg führt durch einen kleinen engen Tunnel und elfte Überraschung: Wir stehen am Strand! Na ja, was sich so Strand nennt. Grobe runde Kiesel, kräftiger Seegang, der bei noch mehr Wind die Kiesel auch über die Schutzmauer auf die Strandpromenade wirft. Darüber steil aufragende Felsen mit vielen Höhlen, die teils zugemauert und mit Schießscharten versehen sind. An einer Stelle stürzt Wasser aus großer Höhe herab.

Moschee am Europa Punkt
Moschee am Europa Punkt

Der Weg führt weiter durch den nächsten etwas großzügigeren, aber dafür noch längeren Tunnel zur zwölften Überraschung: einer Moschee, anscheinend von den Saudis finanziert, direkt am Europa Punkt. Daneben die dreizehnte Überraschung: ein Bauschild für die Gibraltar Universität. Wie gesagt, es gibt hier nur 29000 Einwohner, aber vielleicht suchen sie schon einmal die zukünftigen Einnahmequellen, falls es doch irgendwann mit den Steuervergünstigungen vorbei sein sollte?

Das schmutzige Ende am Leuchtturm
Das schmutzige Ende am Leuchtturm

Vorn auf der Spitze zielt eine große Kanone in Richtung Afrika. Der Wind pfeift, unten am Wassersaum viele Möwen auf dem Wasser. Nach einem Blick über das Geländer wissen wir auch warum: Das Abwasser läuft der Farbe nach zu urteilen ungeklärt ins Meer (13. Überraschung). Danach folgt gleich die 14. Überraschung: ein Schild in polnischer Sprache. Was machen die denn hier? Wir lesen genauer nach: 1943 ist hier die polnische Exilregierung mit dem Flugzeug abgestürzt.

Ein großen Geschütz zielt am Europa Punkt auf die afrikanische Küste
Ein großen Geschütz zielt am Europa Punkt auf die afrikanische Küste

Wir würden gerne auf der anderen Seite des Felsens zurück laufen. Das geht jedoch nicht, da es keinen Fußweg gibt und so nehmen wir wieder auf der Westseite eine höher gelegene Straße für den Rückweg. Auch bei der Ausreise gibt es keinerlei Komplikationen. Niemand will unsere Ausweise sehen. Der Weg mit dem Auto führt auf sehr verschlungenen Wegen hinaus. In La Linea halten wir noch einmal an der Strandpromenade für einen Blick zurück.

Blick zurück von La Linea
Blick zurück von La Linea

Für den Rückweg nehmen wir nun die mautfreie Strecken. Sie führt durch unglaublich viele Kreisel dichter an der Küste entlang, die durchgehend zwischen Gibraltar und Málaga bebaut ist.

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